EU will Sanktionen gegen Russland beschließen

Brüssel(dpa) - Die EU will zur friedlichen Lösung der Krim-Krise den Druck auf Russland mit ersten Sanktionsschritten erhöhen. Bei ihrem Sondergipfel in Brüssel zur Lage in der Ukraine berieten die Staats- und Regierungschefs am Donnerstag mögliche Strafmaßnahmen.

Laut Diplomaten könnte die EU die Verhandlungen über Visa-Erleichterungen und das Grundlagenabkommen mit Russland aussetzen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hält Sanktionen für unausweichlich, wenn Moskau nicht zu Zugeständnissen bereit ist. Man könne nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, „wenn noch keinerlei diplomatische Gespräche stattfinden“, sagte sie zu Beginn des Sondergipfels. Dort wollte die EU auch eine Milliardenhilfe für die prowestliche Regierung in Kiew beschließen.

Auf der völkerrechtlich zur Ukraine gehörenden Schwarzmeer-Halbinsel Krim blieb die Lage angespannt. Das moskautreue Parlament der Autonomen Republik sprach sich in Simferopol für einen Beitritt zu Russland aus. Ein entsprechendes Referendum wurde um zwei Wochen auf den 16. März vorverlegt. Die ukrainische Justiz ordnete dagegen die Festnahme des prorussischen Regierungschefs der Krim sowie des Parlamentspräsidenten an.

In den vergangenen Tagen hatten prorussische Kräfte auf der überwiegend von ethnischen Russen bewohnten Halbinsel die Macht übernommen. Die prowestliche Führung in Kiew und die USA werfen Moskau vor, russische Soldaten hätten die Krim unter ihre Kontrolle gebracht. Russland weist den Vorwurf zurück und spricht von lokalen „Selbstverteidigungskräften“.

Das russische Vorgehen sei inakzeptabel, zitierte Regierungssprecher Steffen Seibert am Donnerstag auf Twitter Kanzlerin Merkel. Sie forderte demnach eine Rückkehr zum internationalen Recht. Die territoriale Integrität der Ukraine müsse gewahrt werden.

Sanktionen gegen Russland stehen im Raum, nachdem in Paris am Mittwoch die Gründung einer Ukraine-Kontaktgruppe zur friedlichen Lösung der Krise gescheitert war. Die EU-Außenminister hatten Strafmaßnahmen angedroht, falls Russland nicht vor dem Gipfel deutliche Zeichen für eine Deeskalation erkennen lasse. Sanktionsmaßnahmen müssen von den 28 EU-Ländern einstimmig beschlossen werden.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sprach in Moskau mit Präsident Wladimir Putin über die Lage auf der Krim. Zuvor hatte der Vizekanzler vor einer Eskalation gewarnt und für die Bildung einer Kontaktgruppe geworben. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und seine Amtskollegen aus den USA, Frankreich, Großbritannien und Italien berieten in Rom über die Krise.

Die USA hatten bereits härtere Wirtschaftssanktionen gegen Moskau ins Gespräch gebracht. Unter den EU-Ländern sind Strafmaßnahmen gegen Russland umstritten, die die engen Wirtschaftsbeziehungen gefährden könnten. Ein Stopp der Verhandlungen über Visa-Erleichterungen und das neue Grundlagenabkommen gelten als weiche Maßnahmen. Die seit Jahren laufenden Gespräche über beide Abkommen kommen ohnehin kaum voran.

Die nächste Eskalationsstufe wären Einreiseverbote und Kontensperrungen. Um glaubwürdig zu sein, müssten sich diese nach Ansicht von EU-Diplomaten etwa gegen Putin selbst und seine wichtigsten Gefolgsleute richten. Auf diese Weise würden aber die diplomatischen Kanäle zugeschüttet, die noch zur Lösung der Krise genutzt werden könnten. Insbesondere Deutschland habe dagegen Bedenken.

Handelsssaktionen wie Aus- und Einfuhrverbote für Waren sind ebenfalls umstritten, weil die Europäer Gegenmaßnahmen der Russen fürchten. Ökonomisch sind Russland und die Europäer voneinander abhängig. Deutschland bezieht aus Russland etwa 35 Prozent des Gasbedarfs und mehr als 30 Prozent des benötigten Öls. Rund 6200 Firmen haben nach Angaben des Industrieverbandes BDI etwa 20 Milliarden Euro in Russland investiert.

Die deutsche Wirtschaft zeigt sich deshalb alarmiert. Der Geschäftsführer des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft, Rainer Lindner, warnte vor einer gefährlichen Spirale gegenseitiger Sanktionen zwischen Russland und dem Westen. Sollte der EU-Krisengipfel Strafmaßnahmen gegen Moskau beschließen, werde Russland sofort darauf reagieren, sagte Lindner der Nachrichtenagentur dpa in Berlin. Dabei könnte im schlimmsten Fall deutsches Firmeneigentum konfisziert werden.

Die Energiewirtschaft rechnet angesichts einer Gasversorgung aus mehreren Quellen und hoher Reserven mit keinen Engpässen in Deutschland. Zum Teil könnten Lieferungen aus anderen Bezugsquellen im Rahmen bestehender Verträge im Bedarfsfall erhöht werden, sagte die Chefin des Energiewirtschaftsverbandes BDEW, Hildegard Müller.

Die EU sperrte unterdessen die Konten des früheren ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch und von 17 weiteren Personen. Eine entsprechende Liste wurde online im EU-Amtsblatt veröffentlicht.

Russlands Präsident Putin wird trotz des Konfliktes mit der Ukraine an diesem Freitag an der Eröffnungsfeier der Winter-Paralympics in Sotschi teilnehmen. Die komplette politische Delegation aus Deutschland verzichtet dagegen laut der Behindertenbeauftragten Verena Bentele auf eine Reise nach Sotschi. Nach Angaben eines Sprechers des Bundesinnenministeriums plant Innen-Staatssekretär Ole Schröder allerdings weiterhin, nach Russland zu fahren.

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