Analyse : Ein Treffen, das es eigentlich nicht geben sollte
Brüssel (dpa) - Es war ein Besuch, auf den viele in der EU nur allzu gern verzichtet hätten. Machtlos mussten die Außenminister der Mitgliedstaaten verfolgen, wie ein vor Selbstbewusstsein strotzender israelischer Regierungschef im EU-Ratsgebäude vor die Kameras treten und noch einmal ausführlich seine Sicht der Dinge präsentieren durfte.
Die US-Entscheidung, Jerusalem als israelische Hauptstadt anzuerkennen, sei kein Hindernis, sondern eine Grundlage für Frieden im Nahen Osten, erklärte Benjamin Netanjahu. Er sei überzeugt, dass es „in der Zukunft“ ein Abkommen mit den Palästinensern gebe werde, und dass die meisten EU-Staaten ihre Botschaften wie die USA nach Jerusalem verlagern würden.
Dass Netanjahu am Montagmorgen ins EU-Ratsgebäude zu einem Frühstück mit den europäischen Außenministern kommen konnte, verdankte er einem strategisch klugen Schachzug. Schon vor Wochen hatte er sich von der litauischen Regierung für den Tag zu einem Besuch in der EU-Botschaft des Landes einladen lassen. Um sich nicht dem Vorwurf aussetzen zu müssen, einen Dialog zu verweigern, blieb den anderen EU-Staaten nichts anderes übrig, als ebenfalls einem Treffen zuzustimmen.
Für viele in der EU war das eine Schmach. Eigentlich hatte man Netanjahu wegen seiner aggressiven Siedlungspolitik bis auf Weiteres kein Spitzentreffen in Brüssel gewähren wollen. Der letzte EU-Besuch eines israelischen Ministerpräsidenten lag sage und schreibe 22 Jahre zurück, wie Netanjahu stolz zu seinem Besuch wissen ließ. Der EU-Israel-Assoziationsrat, das wichtigste Gremium für die Zusammenarbeit, tagte zuletzt 2012.
Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini versuchte am Montag, das beste aus der unangenehmen Situation zu machen. Sie stellte kurz nach dem gemeinsamen Treffen mit Netanjahu fest, dass sich dieser keinerlei Hoffnungen darauf machen sollte, dass die EU-Staaten dem Beispiel der USA folgen und Jerusalem einseitig als Hauptstadt Israels anerkennen. „Von der Seite der EU-Mitgliedstaaten wird dieser Schritt nicht kommen“, sagte sie.
Damit ließ Mogherini auch ganz klar wissen, was die EU von der Vorstellung hält, die Anerkennung Jerusalems könne den Friedensprozess sogar fördern, weil sie ein Streitthema „vom Tisch nehme“, wie es die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Nikki Haley, am Wochenende formulierte.