Familienschlacht in Oggersheim Ein öffentliches Trauerspiel: Hausverbot für Walter Kohl

Berlin/Ludwigshafen (dpa) - Mittwochmittag, 12.30 Uhr. Walter Kohl taucht vor dem Haus seines Vaters in Ludwigshafen-Oggersheim auf. Mit dabei: die beiden Enkel des früheren Bundeskanzlers Helmut Kohl.

Die drei sind schwarz gekleidet, gehen zur Haustür, Walter Kohl klingelt, klopft an die Tür. Klingelt wieder.

Mit gesenkten Köpfen stehen die drei vor der Tür, warten. Minute um Minute verstreicht. Die Szene wird gefilmt und fotografiert von Journalisten, die seit Tagen vor dem Haus ausharren. Die Tür bleibt zu. Die Gesichter der beiden Enkel verdunkeln sich. Ein Polizist weist die Besucher schließlich ab.

Der Beamte leitet die drei weg von der Tür. Auf dem Gehweg vor dem Haus folgt eine Unterhaltung zwischen Walter Kohl und dem Polizisten. Vor laufender Kamera. Der Uniformierte nuschelt etwas von Hausverbot und Führungshierarchien. „Und warum haben wir das Hausverbot?“, fragt Walter Kohl. Weil wohl ein Termin verstrichen sei, entgegnet der Polizist, mit gesenkter Stimme, fast peinlich berührt. „Das ist eine Lüge“, entgegnet Walter Kohl. „Wir waren um 17 Uhr am Telefon, aber es wurde nicht angerufen. Das möchte ich nur amtlich feststellen hiermit“, sagt er, mit einem kurzen Blick zur Seite, Richtung Kamera.

Dann beruhigt Kohl den Polizisten, ihn treffe keine Schuld, er könne nichts dafür, er sei schließlich nur der „Überbringer der Nachricht“. Der Polizist stammelt ein wenig unbeholfen etwas von Beileid. „Das nehme ich auch gern entgegen“, sagt Kohl da noch. „Aber dass ich ein bisschen empört bin, können Sie sich vorstellen.“ Ende dieser sonderbaren Unterhaltung.

Termin verstrichen? 17 Uhr? Worum geht es eigentlich? Die Replik aus dem Haus hinter der verschlossenen Tür lässt nicht lange auf sich warten. Die Witwe des Altkanzlers, Maike Kohl-Richter, die drinnen seit Freitag an der Seite ihres verstorbenen Mannes ist, lässt umgehend ihre Sicht auf die Dinge ausrichten - über ihren Anwalt Stephan Holthoff-Pförtner, der lange auch Helmut Kohl selbst vertrat und enger Vertrauter war.

Holthoff-Pförtner sagt, er habe am Dienstag das Gespräch mit Walter Kohl gesucht, um die Abläufe der Trauerfeierlichkeiten für den Alt-Kanzler am 1. Juli zu bereden - und zu klären, wie sich die Söhne und Enkel von Helmut Kohl verabschieden könnten. Ziel sei es gewesen, die Teilnahme der Söhne und ihrer Familien an allen Trauerzeremonien zu besprechen. Walter Kohl habe eingewilligt, am Dienstagnachmittag um 17 Uhr ein Telefonat dazu zu führen. Zum verabredeten Zeitpunkt sei Walter Kohl dann aber nicht erreichbar gewesen - trotz mehrfacher Kontaktversuche. „Er hat sich diesem Gespräch entzogen.“

Dass Walter Kohl stattdessen mit Kohls Enkeln unangemeldet vor dem Haus in Ludwigshafen-Oggersheim auftauche und um Einlass bitte, sei „die gewollte und bewusste Inszenierung eines Eklats“, klagt Holthoff-Pförtner. „Das sprengt den Rahmen dessen, was man tolerieren kann.“ Die Darstellung von Walter Kohl, dass er abgeschirmt werde, sei falsch. „Das ist nicht die Wahrheit.“

Walter Kohl ist in Ludwigshafen-Oggersheim schon verschwunden, als die Vorwürfe aus dem Inneren des Hauses auftauchen. Zu erreichen ist er da auch auf anderem Weg nicht mehr.

Es bleibt also vorerst bei zwei Seiten, die sich gegenseitig der Lüge bezichtigen und sich mit Vorwürfen überziehen. Aussage gegen Aussage. Dass das Verhältnis zwischen Kohls Söhnen und dessen zweiter Frau nicht das beste ist, ist kein Geheimnis. Dass ihr Streit aber derart eskaliert - vor laufender Kamera -, das überrascht dann doch.

Am Dienstag, um eben 17 Uhr, hatte die Entourage von Maike Kohl-Richter bekanntgegeben, dass Helmut Kohl nicht im Familiengrab, an der Seite seiner ersten Frau Hannelore beerdigt wird, sondern auf einem Friedhof in Speyer: an einem symbolträchtigen Ort mit Bezug zum Speyerer Dom, der Kohl politisch wichtig war. Die Beisetzung dort sei Kohls ausdrücklicher Wunsch gewesen, heißt es. Auch das ist eine vielsagende Geste.

Am 1. Juli stehen großdimensionierte Trauerfeierlichkeiten für Kohl in Straßburg und in Speyer an. Diese politische Würdigung wird nun überschattet von dem familiären Desaster.

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