Bundestag verschärft Asylrecht im Eiltempo

Berlin/Brüssel (dpa) - Deutschland und Europa schlagen in der Flüchtlingskrise einen härteren Kurs ein. Der Bundestag verschärfte im Eiltempo das deutsche Asylrecht.

Bundestag verschärft Asylrecht im Eiltempo
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Beim Brüsseler EU-Gipfel ging es um eine engere Zusammenarbeit mit der Türkei, die den Zustrom vor allem syrischer Bürgerkriegsflüchtlinge aufhalten soll. Das wichtigste Transitland für Migranten auf dem Weg nach Europa verlangt im Gegenzug unter anderem drei Milliarden Euro von der EU, wie EU-Diplomaten berichteten. Die bisherige finanzielle Zusage der EU lag bei einer Milliarde Euro.

Von der Türkei erhofft sich die Europäische Union vor allem besseren Grenzschutz und eine Begrenzung des Flüchtlingszustroms. Die Regierung in Ankara erwartet im Gegenzug für eine engere Kooperation neben Milliardenhilfen politische Zugeständnisse. Sie will unter anderem zügig eine Liberalisierung der Visa-Regeln für türkische Bürger, die in die EU reisen. Zudem will die Türkei in den seit Jahren festgefahrenen Beitrittsverhandlungen mit der EU über weitere Politikbereiche (Kapitel) sprechen, darunter die Wirtschaftspolitik.

Deutschland will mit seinem Gesetzespaket erreichen, dass Menschen ohne Asylanspruch die Bundesrepublik schneller verlassen müssen, Schutzbedürftige bekommen dagegen effizientere Hilfe, wie Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte. Der Bundesrat soll das die neuen Regeln bereits an diesem Freitag billigen. CSU-Chef Horst Seehofer verlangte von Merkel erneut eine Begrenzung der Zuwanderung. Andernfalls drohe ein „grandioses Scheitern“ der staatlichen Gemeinschaft in Deutschland und Europa.

Ein zentrales Instrument in der Flüchtlingskrise ist die Einstufung von Nicht-EU-Ländern als „sichere Herkunftsstaaten“. Bei diesen Staaten geht man davon aus, dass keine politische Verfolgung herrscht, Asylbewerber können leichter abgeschoben werden. Dieses politische Gütesiegel hätte die Türkei gerne, hieß es in Brüssel.

Im deutschen Gesetzespaket ist dieser Status für drei weitere Balkan-Länder - Albanien, Kosovo und Montenegro - vorgesehen. Schutzsuchende sollen zudem künftig generell deutlich länger als bislang in Erstaufnahmestellen bleiben und dort möglichst nur Sachleistungen bekommen. In bestimmten Fällen sind deutliche Leistungskürzungen vorgesehen. Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive sollen dagegen Integrationskurse besuchen dürfen. Und: Durch den Abbau bürokratischer Hürden soll die Einrichtung neuer Asylunterkünfte einfacher werden.

Die Organisation Pro Asyl sprach dennoch von einem „Programm der Entwürdigung von Menschen“, die Linke vom gravierendsten Angriff auf das Asyl-Grundrecht seit den 90er Jahren. Im Bundestag votierten 475 von 600 Abgeordneten für die Pläne, 68 dagegen, 57 enthielten sich.

CSU-Chef Seehofer machte erneut Druck auf die Kanzlerin. Er forderte ein Stopp-Signal Merkels an die Weltöffentlichkeit, dass Deutschlands Aufnahmekapazitäten begrenzt seien - und Taten von der Bundesregierung anstelle schlauer Sprüche oder „warmer Worte“. Auf einen offenen Bruch mit Merkel oder ein Scheitern der Großen Koalition in Berlin will er es aber nicht ankommen lassen: „Ich will ja nicht, dass hier irgendetwas bricht oder zerreißt.“

Der Wunsch, dass die Flüchtlinge den Weg nach Europa gar nicht erst antreten, war auch in Brüssel zu spüren. „Alles, was uns hilft, dass Flüchtlingen dortbleiben können und dort menschlich behandelt werden, wo sie sind in der Region, ist richtig“, sagte der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann. Der französische Präsident François Hollande erklärte, es gehe vorrangig darum, Länder wie die Türkei, Jordanien und den Libanon zu unterstützen, um dafür zu sorgen, dass Flüchtlinge dortblieben.

Als ein Hintergrund für das starke EU-Engagement in Drittstaaten gilt die Einsicht, dass eine gerechte Lastenverteilung bei der Aufnahme von Flüchtlingen derzeit nicht umsetzbar ist. Selbst Schweden, das bislang im Verhältnis zur Einwohnerzahl am meisten Asylbewerber akzeptiert, stellte klar, dass es so nicht weitergehen könne.

Nach scharfer Kritik von Juncker zeichnete sich ab, dass EU-Staaten zumindest weitere Zahlungszusagen machen. Der Luxemburger rechnete vor, dass Mitgliedstaaten versprochene Gelder in Höhe von mehr als 2,2 Milliarden Euro bislang nicht zur Verfügung gestellt hätten. Sie sollen unter anderem in einen Fonds zur Bekämpfung von Fluchtursachen in Afrika, Nachbarländer von Syrien und an die Welthungerhilfe fließen. Nach Angaben von EU-Diplomaten hat auch Deutschland bislang zuletzt keine angemessenen Zahlungszusagen abgegeben.

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