Annette Schavan: Gemischte Bilanz in der Bildungspolitik

Berlin (dpa) - Wie lange kann sich die angeschlagene Bildungsministerin noch im Amt halten? Sie habe das „volle Vertrauen“ der Kanzlerin, sagt Regierungssprecher Seibert. Wie lange das gilt, sagt er nicht.

Als langjährige CDU-Bildungspolitikerin benutzt Annette Schavan gern und häufig Begriffe wie Elite, Exzellenz, Hochbegabung und Leistung. In ihrer Dissertation jedoch - so begründet die Universität Düsseldorf nun den Entzug ihres Doktortitels - habe die junge Studentin Schavan über ihre ganze Arbeit hinweg „systematisch und vorsätzlich“ gedankliche Leistungen vorgegeben, „die sie in Wirklichkeit nicht selbst erbracht hatte“.

Das harte Urteil des Philosophischen Fakultätsrates der Universität, an der Schavan 1980 ihre Doktorarbeit eingereicht hatte, dürfte über kurz oder lang auch das Ende ihrer politischen Karriere eingeläutet haben.

Denn selbst wenn Schavan nach einem unter Umständen mehrjährigen Rechtsstreit den Doktortitel behalten sollte: Schrammen bleiben. Und die selbst eingestandenen „Flüchtigkeitsfehler“ in ihrer Doktorarbeit sind für Jedermann nachlesbar. Als oberste politische Repräsentantin von Bildung und Forschung in Deutschland dürfte sie etwa vor Nachwuchswissenschaftlern künftig eher Heiterkeit und Erstaunen auslösen, wenn sie Sätze wie diesen sagt: „Wer die Tüchtigen und die Leistungsbereiten stärkt, der macht Deutschland kreativer.“

Noch nie war ein Bundesbildungsminister so lange im Amt wie Schavan. Und noch ein weiterer Superlativ wird in Erinnerung bleiben: Noch nie hatte ein Bundesminister für Bildung und Forschung so viel Geld zur Verfügung. Doch die Bilanz, ob mit diesem Geld auch die richtigen Anstöße gegeben wurden, ist politisch äußerst strittig.

Die milliardenschwere Exzellenzinitiative ihrer Amtsvorgängerin Edelgard Bulmahn (SPD) zur Stärkung der Spitzenforschung setzte sie erfolgreich fort. Mehrere andere Projekte, wie etwa das von ihr unter FDP-Druck auf den Weg gebrachte „Deutschland-Stipendium“ für besonders leistungsstarke Studenten, kommen dagegen aus den Anlaufproblemen nicht hinaus. Die überfällige Bafög-Erhöhung zur Breitenförderung schiebt Schavan dagegen schon im zweiten Jahr vor sich her. Kritiker vermissen eine Struktur in ihrer Bildungspolitik.

Bevor Schavan 2005 den Ministerposten in Berlin übernahm, war sie zehn Jahre Kultusministerin in Baden-Württemberg - und obendrein Bildungssprecherin der unionsgeführten Bundesländer. In dieser Zeit stand sie für eine besonders konservative Bildungspolitik.

Lange hielt Schavan an der Hauptschule fest, stemmte sich vehement gegen mehr Gymnasiasten, Abiturienten und Studenten. Die vom Bund 2003 den Ländern angebotenen Milliarden zum Aufbau von Ganztagsschulen verspottete sie als „Suppenküchenprogramm“. Das Bafög wollte die CDU-Politikerin komplett umwandeln - in einen Mix aus Leistungsstipendien und Krediten - inklusive Studiengebühren. Als kämpferische Verfechterin der Länderkulturhoheit und eines Wettbewerbs-Föderalismus wurde Schavan nicht müde, von Stuttgart aus giftige Pfeile in Richtung Berlin abzuschießen - sobald ein Bundespolitiker auch nur das Wörtchen Schule in den Mund nahm.

Doch mit dem neuen Amt in Berlin folgten auch schnell die neuen Einsichten. Das mit der Föderalismusreform 2006 ins Grundgesetz eingefügte Kooperationsverbot von Bund und Ländern in der Bildung - an dem Schavan als Landesministerin maßgeblich mitgewerkelt hatte - engte nun ihren Spielraum gewaltig ein. Schavan scheiterte mit ihrem Vorstoß, das Kooperationsverbot mit einer Verfassungsänderung „light“ wieder aufzulockern. SPD und Grünen geht Schavans Konzept nicht weit genug. Das CDU-regierte Hessen lehnt die Änderung rundweg ab.

Die 57-jährige Schavan wuchs im Rheinland auf, studierte katholische Theologie, Philosophie und Pädagogik in Bonn und Düsseldorf. Ihre Doktorarbeit ist ihr einziger Studienabschluss. Ihre Berufslaufbahn startete Schavan bei der Bischöflichen Studienförderung Cusanuswerk in Bonn. Sie engagierte sich in der Kommunalpolitik und im Zentralkomitee der Deutschen Katholiken, bevor sie als Kultusministerin 1995 nach Stuttgart gerufen wurde.

Auch in der CDU machte Schavan schnell Karriere. Von 1998 bis 2012 war die enge Vertraute von Bundeskanzlerin Angela Merkel Partei-Vize. Lange wurde sie als mögliche CDU-Kandidatin für die Nachfolge des damaligen Bundespräsidenten Johannes Rau gehandelt. Ende 2004 unterlag Schavan bei einer parteiinternen Mitgliederbefragung über die Nachfolge des vorzeitig ausgeschiedenen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Erwin Teufel (CDU).

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