Analyse: Versicherer zittern

München (dpa) - Die Kreuzfahrt-Katastrophe vor Italiens Küste lässt die Versicherer möglicherweise noch wochenlang zittern. Eine mögliche Ölpest zwischen der Insel Giglio und der Küste der Toskana könnte der Havarie eine weitere traurige Note hinzufügen - und die Versicherer weitere Millionen kosten.

Noch hat sich nur die Munich Re zu einer Schätzung durchgerungen, doch in der Branche weiß man: Im Falle einer Umweltkatastrophe müsste die Assekuranz zahlen, und das ohne Obergrenze.

„Egal wie hoch der Schaden ausfällt, die Haftpflichtversicherung des Schiffes steht dafür gerade“, sagt Ute von Briel, Leiterin der Schifffahrts-Schadenregulierung bei der Allianz Industrieversicherungstochter AGCS, die lediglich an der Versicherung für das Schiff selbst beteiligt ist. Derzeit untersuchen Spezialisten in Italien, wie sie den Treibstoff sicher aus den Tanks der gekenterten Costa Concordia herauspumpen können.

Das Schiff war noch nicht lange unterwegs, als es von einem Felsen aufgeschlitzt wurde und vor der Küste Giglios halb unterging. „Solche Schiffe haben in der Regel Treibstoff für zwei bis drei Wochen an Bord. Das ist Schweröl mit hohem Schwefelanteil. Wenn das austritt, ist das schlimm für die Umwelt“, sagt von Briel. Für eine mögliche Ölpest müssen zwei Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit geradestehen, die im Auftrag vieler Reedereien Haftpflichtversicherungen für Schiffe stellen. Allerdings sind an den Risiken wiederum klassische Rückversicherer wie Munich Re und Hannover Rück beteiligt.

Noch ist offen, wie hoch der gesamte Schaden tatsächlich ausfällt. Der weltgrößte Rückversicherer Munich Re wagt nur eine Schätzung für seine eigene Belastung: Mit einem mittleren zweistelligen Millionenbetrag erwarten die Münchner bei dem Unglück davonzukommen. Allerdings sei noch offen, wie teuer die Bergung des Schiffs ausfalle - und ob weitere Schäden entstehen, etwa an der Umwelt. Das Meer vor Giglio gehört zum Nationalpark Toskanischer Archipel, viele Delphine und Wale leben dort.

Schon jetzt schätzt die Versicherungswirtschaft den gesamten Schaden hinter vorgehaltener Hand auf eine halbe Milliarde Euro und mehr. Das Schiff alleine hatte den Reedereikonzern Carnival vor sechs Jahren 450 Millionen Euro gekostet. Hinzu kommen die Ansprüche aus der Haftpflichtversicherung: Die Entschädigung der verletzten Passagiere, der Hinterbliebenen der Toten und die Kosten der Bergung - sowie mögliche Schäden an der Umwelt.

Die Höhe des Schadens dürfte stark davon abhängen, ob es gelingt, das Schiff wieder flott zu machen und zu reparieren oder ob das Wrack im schlimmsten Fall vor Ort in seine Einzelteile zerlegt werden muss, sagt Volker Bergeest, verantwortlich für die Schifffahrtsversicherung der ACGS. „Im Bereich Haftpflicht kann die Schadenbearbeitung langwierig sein, je nachdem zu welchem Ergebnis die rechtlichen Ermittlungen und mögliche Folgeprozesse kommen.“

Warum Kapitän Francesco Schettino das Kreuzfahrtschiff letztlich zu der Insel gelenkt und an den Felsen gesetzt hat, dürfte den Versicherungsschutz nicht infrage stellen. „Egal was der Kapitän gemacht hat, ob er sich einen groben Fehler geleistet oder vorsätzlich gehandelt hat, es berührt den Versicherungsschutz nicht“, sagt von Briel. Unwahrscheinlich sei auch, dass der Haftungsversicherer versuche, sich Geld von dem Schiffsführer zurückzuholen. Dem Kapitän drohen wegen fahrlässiger Tötung, Havarie und Verlassen des Schiffs 15 Jahre Haft.

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