Analyse: Schäuble provoziert CSU

Berlin (dpa) - Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat mit seinen Vorstellungen für eine stärkere europäische Integration den Widerspruch des Koalitionspartners CSU provoziert.

CSU-Chef Horst Seehofer wandte sich strikt gegen weitere Kompetenzverlagerungen nach Brüssel. Und Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) warnte: „Wer aus der Schuldenkrise den Schluss zieht, dass der europäische Zentralismus jetzt noch verstärkt werden muss, macht sich auf den völlig falschen Weg.“

SPD und Grüne sprachen sich unterdessen für eine Art europäische Treuhand aus, die den Verkauf griechischen Staatsvermögens zu einem angemessenen Preis garantieren soll.

Schäuble hatte in einem Beitrag für die „Welt am Sonntag“ geschrieben: „Die Antwort auf die Krise kann nur ein Mehr an Europa bedeuten. ... Ohne begrenzte, aber zielgerichtete weitere Schritte im Sinne einer Vertiefung der europäischen Institutionen werden wir auf Dauer unsere europäische Handlungsfähigkeit verlieren.“ Am Ende dieses Prozesses werde die politische Union stehen.

Seehofer hielt diesen Überlegungen in der Zeitung entgegen: „Wir als Bayern sind bereit mitzutragen, was gemeinsam beschlossen wurde. ... Aber den Weg zu Vereinigten Staaten von Europa werden wir nicht einschlagen.“ Zuvor hatte Innenminister Friedrich schon im „Spiegel“ Schäubles Argumentation in Zweifel gezogen. Der wachsenden Euro-Skepsis könne man „nicht dadurch begegnen, dass die durch das Volk gewählten nationalen Parlamente und Regierungen noch weiter entmachtet werden“.

Euro-Krise und künftige Europapolitik sind auch Themen des CSU-Parteitag am kommenden Wochenende. Auch CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt unterstrich im Deutschlandfunk (Sonntag): „Vereinigte Staaten von Europa, also quasi einen zentralistischen Staat in Europa ... kann niemand wirklich wollen.“ Die CSU werde sich etwa gegen einen europäischen Finanzminister „mit Durchgriffrecht in die nationalen Haushalte“ wehren. Zugleich bekräftigte Dobrindt, dass Griechenland seine Volkswirtschaft leichter außerhalb als innerhalb der Euro-Zone restrukturieren könne.

Anders als die CSU lobte FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle Schäuble im „Tagesspiegel am Sonntag“ als „ehrenwerten Politiker, der mit viel Umsicht und politischem Weitblick die europäische Sache vorantreibt“. Dabei habe der Minister „die FDP an seiner Seite“.

Als Konsequenz aus der Schuldenkrise in Europa wird unter anderem eine engere Verzahnung der Wirtschafts- und Finanzpolitik der Euro-Staaten diskutiert. In diese Richtung argumentieren auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy. Wie dies aber genau ausgestaltet werden könnte, ist offen. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sieht hier eine Chance, Brüssel zu stärken.

Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Werner Hoyer (FDP), sprach sich für einen neuen Reformanlauf bei den Europäischen Verträgen aus. Jetzt gelte es, „die Einführung jenes notwendigen Maßes an wirtschaftlicher und finanzpolitischer Koordinierung nachzuholen, das bei der Einführung des Euro durch den Vertrag von Maastricht nicht erreichbar war, und an der auch die kommenden Vertragsrevisionen gescheitert sind“, schrieb er in einer Erklärung.

Auch SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier plädierte in der „Rheinischen Post“ (Samstag) für eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik. „Dies wird dauerhaft nicht ohne eine Änderung der Verträge gehen.“ Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sprach sich in der „Süddeutschen Zeitung“ (Samstag) für die Möglichkeit aus, direkt in die Haushaltsplanung von Krisenländern eingreifen zu können.

Steinmeier schlug vor, eine europäische Treuhandanstalt zur Privatisierung des griechischen Staatsvermögens einzurichten. Athen könne dieses zur Zeit nur „zu Ramschpreisen verkaufen“. Die Idee, griechisches Staatsvermögen wie Autobahnen, Häfen oder Flughäfen über eine Holding zusammenzufassen und dann unter europäischer Aufsicht zu verkaufen, stieß bei den Grünen auf Zustimmung. Partei-Chef Cem Özdemir sagte der dpa, eine Holding könne „Ruhe reinbringen in den Verkauf des Staatsbesitzes“ und sprach sich für eine Art Treuhandanstalt unter Aufsicht von EU-Kommission und -Parlament aus.

Nach der Zustimmung des Bundestages zur Ausweitung des Euro-Rettungsschirms (EFSF) schloss Schäuble darüber hinausgehende deutsche Finanzhilfen für schwache Euro-Staaten erneut aus. „Auf Deutschland entfallen 211 Milliarden. Und das war es. Schluss. Bis auf die Zinsen, die kämen noch obendrauf“, sagte er der Zeitschrift „Super Illu“. Beim Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), „der den EFSF spätestens 2013 ersetzen wird, werden es insgesamt sogar nur 190 Milliarden sein ... inklusive aller Zinsen“.

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