Analyse: Sarkozy macht Merkel bei Eurobonds Druck

Berlin/Straßburg (dpa) - Hintertüren haben eine Schlüsselfunktion in der Politik. Sie können Eingänge sein und Auswege eröffnen.

Im Ringen um Griechenlands Rettung vor dem Bankrott und die Stabilisierung des Euro hat sich Angela Merkel so manches Mal eine solche Tür offen gelassen - und sie für die nächste Etage genutzt, obwohl man die Bundeskanzlerin noch im Foyer wähnte.

Die Opposition hält das für Schwäche. Die Regierung zählt die Erfolge auf: Einigung der EU auf die Griechenland-Pakete unter der von Merkel geforderten Einbeziehung des erfahrenen Internationalen Währungsfonds IWF, Kompromiss bei der Banken-Beteiligung, Annäherung bei den von Merkel verlangten Vertragsänderungen für eine verschärfte Kontrolle der nationalen Haushalte. Nächster Akt: Eurobonds.

Merkel hat oft erklärt, warum sie von solchen gemeinsamen europäischen Staatsanleihen mit einheitlichen Zinssätzen nichts hält. Zuletzt am Donnerstag in Straßburg nach ihrem Treffen mit Frankreichs Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy und Italiens neuem Regierungschef Mario Monti. Unterschiedliche Wettbewerbsfähigkeit drücke sich nun einmal in unterschiedlichen Zinssätzen aus. Zinssätze zwangsweise anzugleichen, hält Merkel für das falsche Signal.

Deutschland hätte das Nachsehen, weil seine Zinsen für diese Schuldscheine im Vergleich zum jetzigen Stand stiegen. Für hoch verschuldete Staaten wäre es dagegen ein Gewinn, weil sie für Kredite weniger Geld bezahlen müssten als bisher. Eurobonds-Befürworter sehen darin eine Chance für die Bewältigung der Schuldenkrise. Für Merkel ist das der Weg in die „Schuldenunion“. Die Euro-Staaten hatten sich und ihren Bevölkerungen einst versprochen, dass sie nicht für Schulden eines anderen Mitglieds haften würden.

Am Mittwoch hatte Merkel vergleichsweise aggressiv reagiert, als EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso in die Offensive ging und drei Varianten für Eurobonds vorschlug. „Außerordentlich bekümmerlich“ sei das. Aufhorchen konnte man aber bei ihrer Argumentation, dass solche Schuldscheine als goldener Weg aus der Krise missverstanden würden. Dafür brauche es viel mehr.

Ist es also aus Sicht der Kanzlerin für Eurobonds nur zu früh? Bei der Debatte über den Haushalt 2012 am Donnerstag im Bundestag verstanden Oppositionsabgeordnete Einlassungen des CDU-Finanzexperten Norbert Barthle so, als deutete er schon auf die Hintertür. Er betonte: „Die Bundeskanzlerin sagt klipp und klar: Solange es die Voraussetzen, solange es die notwendigen vertraglichen Änderungen nicht gibt, braucht man mit uns über Eurobonds nicht zu diskutieren. Man muss zuerst den ersten Schritt machen und dann den zweiten.“

SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil frohlockte: „Herzlichen Glückwunsch, Herr Barthle, dass Sie den Mut haben (...) einzuräumen, dass wir in die Situation kommen können, wo man ein solches Instrument nicht ausschließen kann.“

In Straßburg wurde Merkel gefragt, ob sie ihr Nein zu Eurobonds aufgäbe, wenn sie dafür ihren Willen bei den Vertragsänderungen zur besseren Kontrolle der nationalen Haushalte durchsetzte.

Merkel blieb hart: „Es geht hier nicht um Leistung und Gegenleistung, sondern es geht darum, dass Konstruktionsschwächen des Euroraums, die daran liegen, dass wir keine politische Union haben, Schritt für Schritt überwunden werden. Wenn wir einen ersten Schritt in Richtung Fiskalunion gehen (...) dann ist das ein Schritt, aber nicht die Voraussetzung dafür, dass ich meine Haltung, die ich gestern geäußert habe, ändern werde.“

Ein bisschen nach Poker sah das Dreier-Treffen Merkel-Monti-Sarkozy aber dennoch aus. Sarkozy signalisierte, er werde von seiner Idee ablassen, die Europäische Zentralbank EZB zu massiven Ankäufen von Anleihen hoch verschuldeter Staaten aufzufordern. Auch das war Merkel ein Dorn im Auge.

Das letzte Wort bei der gemeinsamen Pressekonferenz hatte aber Sarkozy. Er machte deutlich, die Eurobonds-Vorschläge seien Teil eines Ganzen. Man könne nicht Eurobonds vorschlagen, ohne über eine stärker verzahnte Finanzpolitik in Europa und schärfere Sanktionen zu sprechen - und umgekehrt. „Wir präsentieren ein Ganzes in den nächsten Tagen.“ Damit macht er Merkel kräftig Druck.

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin bot noch eine Wette an: „Die Eurobonds werden kommen - top, die Wette gilt.“ Merkel würde nicht dagegen setzen, zeigte sich Trittin sicher. „Die Kanzlerin ist längst einen Schritt weiter. Ihr Nein ist nicht kategorisch, sondern ein Faustpfand in den Verhandlungen um die Vertragsänderungen.“

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