Analyse: Päpstlicher Trost bei Wind und Wetter

Manila (dpa) - Es braucht schon mehr als einen Tropensturm, um Papst Franziskus aus dem Konzept zu bringen. Das Kirchenoberhaupt legt einfach wie die Gläubigen einen dünnen Regenmantel aus Plastik an, und los geht's.

Analyse: Päpstlicher Trost bei Wind und Wetter
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78 Jahre ist der Mann, nicht gerade das Alter für Rockstars - und doch feiern die Philippiner den Pontifex wie die nächste YouTube-Sensation. „Papst Franziskus, wir lieben Dich!“ rufen die überwiegend jungen Leute ohne Unterlass, klatschnass durch die Ausläufer von Tropensturm „Mekkhala“. Aber das Love-Fest mit ihrem Idol lassen sie sich nicht nehmen.

Im Gegenteil: Sie tanzen in ihren Regenmänteln, sie wringen die nassen Taschentücher lachend aus und singen so inbrünstig, wie es wohl nur in dieser Nation von Sangestalenten möglich ist. Der Papst lässt sich mitreißen. Immer wieder legt er die wohlüberlegten Predigten beiseite, um „von Herzen“ zu sprechen, wie er sagt. Und das geht beim ihm nur auf spanisch. „Darf ich bitte spanisch reden?“ fragt er verschmitzt und natürlich sagen alle Ja. Dann redet er ganz rührend von der Tugend des Weinens, weil ein Mädchen in Tränen ausbricht, als sie ihm von ihrem Leid als Straßenkind berichtet.

Papst Benedikt XVI. hat auch davon gesprochen, wie wichtig ihm die Jugend ist. Aber vielleicht liegt es am südamerikanischen Temperament von Franziskus, dass bei ihm der Funke sofort überspringt. Als Kinder ihn bei der Hand fassen und im Wiegeschritt ein Lied vortragen, wippt er kurzerhand rhythmisch mit. Oder es liegt an seinem Stil: Er lacht, küsst und segnet Babys, Kranke, Alte, und Vorwitzige, als hätte er für jeden einzelnen alle Zeit der Welt.

Oder es liegt an seinen Gesten, dass ihm die Herzen zufliegen: Dass der Papst den gleichen Plastikmantel wie die Wartenden überzieht und dem Regen trotzt, kommt an. Dass er im Tropensturm in Tacloban mit zerzaustem Haar vor den Gläubigen steht, die Brille nass und der Saum der Kutte vom Pfützenwasser schmutzig, demonstriert: „Ich bin einer von euch.“ „Wir sind durch harte Zeiten gegangen“, sagt Perla Quiteros, die Taifun „Haiyan“ vor 14 Monaten knapp überlebt hat. „Alles wird gut, jetzt, da er hier war.“

Hier ist der Papst in seinem Element. Sein Pontifikat steht ganz im Zeichen der Bescheidenheit. Als erster der 266 Päpste hat er Franz von Assisi, den Patron der Armen, zum Paten genommen. In Tacloban lässt er die Predigt auch beiseite. Und wie er dann frei und „von Herzen“ zu den Menschen spricht, die die „Haiyan“-Tragödie überlebt haben, da kommt die Wärme eines tröstenden Gemeindepriesters rüber, die auf die Menschen stärker wirkt als alle wohlüberlegten Worte eines päpstlichen Redenschreibers.

In sechs Jahren feiert die philippinische Kirche den 500. Jahrestag der Christianisierung. 1521 schlug ein Eroberer im Namen der spanischen Krone das erste Kreuz auf der Insel Cebu in den Boden. Vier von fünf der 100 Millionen Einwohner sind Katholiken. Anders als in Europa sind die meisten aktive Christen. Die Kirche ist einer der wichtigsten Pfeiler der Gesellschaft.

Bei der Abschlussmesse sind Papst und Gemeinde in Manila in tiefer Andacht vereint. Der Papst braucht keine Mätzchen oder Lacher, um die Gemeinde aus Millionen bei Laune zu halten. Humor, Witz, Lockerheit, Andacht - alles zu seiner Zeit, darin sind sich Papst und Philippiner einig.

Die ausgelassene Stimmung kehrt nach Ende der Messe schnell zurück. Es gießt noch immer. Der Papst schlüpft wieder in seinen verknitterten Plastikmantel, die Menge tobt, Franziskus lacht und winkt und posiert gutmütig mit denen, die ein Selfie mit dem Papst schießen wollen.

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