Analyse: Guttenbergs bisher gefährlichste Affäre

Berlin (dpa) - Karl-Theodor zu Guttenberg hat geahnt, dass das irgendwann passieren würde. „Ein gewisser Absturz hätte bei mir längst kommen müssen“, sagte der Verteidigungsminister Mitte Oktober in einem Interview.

„Weil er bislang nicht gekommen ist, kann er stündlich kommen.“

Damals wurde Guttenberg als Kanzlerkandidat und CSU-Chef gehandelt, als Erlöser der Union hochstilisiert und von den Medien als Mann des Jahres und Überflieger bejubelt.

Bis zum Absturz dauerte es zwar etwas länger als ein paar Stunden. Mitte Januar war es aber soweit. Innerhalb von wenigen Tagen brachen drei Bundeswehr-Affären über den CSU-Politiker herein: chaotische Zustände auf der „Gorch Fock“ nach dem Tod einer Kadettin, ein mysteriöser Schießunfall und drei Dutzend geöffnete Feldpostbriefe aus Afghanistan - all das begleitet von peinlichen Informationspannen im Verteidigungsministerium.

Das alles ist aber noch gar nichts gegen das, was jetzt auf Guttenberg zukommen könnte. Was die „Süddeutsche Zeitung“ am Mittwoch auf einer ganzen Seite und mit vielen Einzelheiten ausbreitete, könnte Guttenbergs bisher gefährlichste Affäre werden. Ein Bremer Jura-Professor wirft dem 39 Jahre alten Minister vor, in seiner Jura-Doktorarbeit aus dem Jahr 2007 abgekupfert zu haben. Seine Arbeit sei ein „dreistes Plagiat“, eine „Täuschung“.

Gleich mehrere Stellen hat Andreas Fischer-Lescano gefunden, die sich teilweise mit Texten anderer Autoren decken, darunter 97 Zeilen aus einem Artikel der „Neuen Zürcher Zeitung am Sonntag“ aus dem Jahr 2003. Die Anführungszeichen fehlen ebenso wie eine Fußnote.

Inspiriert von Fischer-Lescano, machten sich im Laufe des Tages andere Plagiatsjäger daran, in der 475 Seiten langen Arbeit Guttenbergs kopierte Textstellen zu finden. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ stieß gleich am Anfang der Einleitung auf zwei Absätze, die einem „FAZ“-Artikel von 1997 fast aufs Wort gleichen.

Die Vorwürfe gehen weit über die Probleme hinaus, mit denen Guttenberg in den drei Bundeswehr-Affären zu kämpfen hat. Es geht nicht mehr nur um eine abstrakte Verantwortung für Verfehlungen einzelner Untergebener, sondern es geht um den Minister höchstpersönlich. Und es geht um Eigenschaften, die den Kern seiner Popularität ausmachen: Glaubwürdigkeit und Authentizität. Auf seiner Webseite wirbt er mit Werten wie Verantwortung und Gewissen.

Die Stellungnahme Guttenbergs zu den Vorwürfen kam am Mittwochmittag vom Verteidigungsministerium per E-Mail. „Der Vorwurf, meine Doktorarbeit sei ein Plagiat, ist abstrus“, verteidigte sich der Minister zwar, schloss Fehler beim Zitieren aber nicht aus. „Ich bin gerne bereit zu prüfen, ob bei über 1 200 Fußnoten und 475 Seiten vereinzelt Fußnoten nicht oder nicht korrekt gesetzt sein sollten und würde dies bei einer Neuauflage berücksichtigen.“ Mit anderen Worten heißt das: Vielleicht habe ich Anführungszeichen vergessen, aber wenn, dann nur versehentlich. Den Betrugsverdacht weist Guttenberg von sich und räumt allenfalls mangelnde Sorgfalt ein.

Über mögliche wissenschaftlichen Konsequenzen - bis hin zur Aberkennung des Doktortitels - hat nun die Universität Bayreuth zu befinden. Politische Konsequenzen forderte am Mittwoch noch niemand. Die Opposition hielt sich auffällig zurück. Grünen-Chefin Claudia Roth meinte, es müsse zunächst mal die Unschuldsvermutung gelten. „Wenn man schon abschreibt, dann sollte man sich wenigstens nicht erwischen lassen“, sagte sie der „Leipziger Volkszeitung“.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich mit Guttenberg solidarisch. „Auch meine Promotionsarbeit wurde schon begutachtet, beleuchtet, Experten vorgelegt und damit muss man leben“, sagte die Physikerin. „Ich denke, der Verteidigungsminister und die Uni Bayreuth werden die Dinge klären.“ CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt kritisiert, dass die Opposition „sich mit dem Abzählen von Fußnoten und Anführungszeichen in juristischen Dissertationen“ abmüht.

Im Umfeld Guttenbergs wittert man dagegen eine Kampagne. Der Parlamentarische Verteidigungsstaatssekretär Christian Schmidt (CSU) verwies darauf, dass Fischer-Lescano aus dem linken Spektrum kommt. „Man merkt die Absicht“, sagte der CSU-Politiker der Nachrichtenagentur dpa. „Ich halte das für ungehörig.“

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