Analyse: Große Worte, kleiner Nenner

Berlin (dpa) - Das Zauberwort heißt „freiwillig“. Freiwillig sollen private Banken und Versicherungen dem bedrohlich verschuldeten Griechenland weiter Geld leihen. So kann Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy sein Gesicht wahren, der Vorgaben für die Geldhäuser seines Landes nicht akzeptieren wollte.

Und Kanzlerin Angela Merkel, die sich mehr Verbindlichkeit gewünscht hatte, kann immerhin weiter darauf drängen, dass auch die Finanzinstitute in der Verantwortung bleiben und nicht nur die Steuerzahler geradestehen für die Rettung Griechenlands - wie zuvor schon für gescheiterte Banken.

Aber welche Rechnungen können Regierungen mit „Freiwilligkeit“ eigentlich aufmachen? Werden private Gläubiger wie Banken, Investoren und Kleinanleger nun von sich aus in einem Umfang neue griechische Anleihen kaufen, wie es zur Bewahrung Athens vor der Pleite nötig ist? Wird die Politik, wird die schwarz-gelbe Bundesregierung hinter den Kulissen Druck auf private Geldgeber machen müssen, weil diese das Risiko scheuen? Welche berechenbare Größe erhoffen sich Merkel und Sarkozy durch die Banken für die nötigen Milliarden-Programme?

Viele Details blieben offen. Sarkozy war nur zu einer sehr kurzen Stippvisite ins Kanzleramt gekommen. Kaum drei Stunden samt Mittagessen hatten die beiden Zeit, um über die dramatische Finanzlage Griechenlands, die Gefahren für die Euro-Zone, die Krise im Nahen Osten, den schwierigen Nato-Einsatz in Libyen, die Gewalt in Syrien und andere weltbewegende Themen zu sprechen.

Das letzte Mal hatten sie sich vor sieben Monaten in Frankreich zu einem solchen Tête-à-Tête getroffen. Dazwischen liegt der Beschluss des UN-Sicherheitsrates, militärisch gegen das libysche Regime vorzugehen. Frankreich marschierte voran. Deutschland enthielt sich wie die Vetomächte Russland und China der Stimme, was zu Irritationen bei den westlichen Bündnispartnern führte, vor allem bei Frankreich. Die Bundesregierung fühlt sich aber durch die Entwicklung in Libyen bestätigt, wo die Nato nur schwer gegen Machthaber Muammar al-Gaddafi vorankommt.

Sarkozy reagierte in einer Pressekonferenz angespannt auf die Frage, warum sich Frankreich nun nicht ähnlich stark für ein Vorgehen gegen Syrien macht, wo dessen Präsident Baschar al-Assad ebenfalls auf die eigene Bevölkerung schießen lässt. Frankreich habe in Libyen auf der Grundlage einer UN-Resolution gehandelt, verteidigte er sich, ohne auf Frankreichs Drängen auf eine solche Resolution einzugehen.

„So weit ich weiß, gibt es keine Resolution des Sicherheitsrats, was Syrien anbelangt“, fügte Sarkozy hinzu. Das ist genau das Problem. Deutschland ist nicht überrascht, dass sich nun vor allem Russland im Falle Syriens im Weltsicherheitsrat sperrt, weil es den Einsatz der Nato in Libyen mittlerweile kritisch sieht. Merkel versicherte: „Wir versuchen auf allen Ebenen, dass wir hier vorankommen.“ Sie vermittelte den Eindruck, dass Deutschland und Frankreich gegen Syrien an einem Strang zögen.

„Wie stark das deutsch-französische Paar ist“, kann man Sarkozy zufolge an der gemeinsamen Haltung zum Euro ablesen. Und so wie er beschwor, dass Deutschland und Frankreich die Stabilität des Euro gemeinsam verteidigen, gab Merkel erneut ein flammendes Bekenntnis zu dieser Währung ab: „Was wir immer und immer wieder gesagt haben: Der Euro ist unsere gemeinsame Währung.“ Und als große gemeinsame Botschaft in der Griechenlandfrage präsentierten die Kanzlerin und der Präsident: „Wir wollen eine schnelle Lösung.“

Wie schnell? „Wir möchten so schnell wie möglich vorankommen (...) ohne ein Datum festzulegen“, sagte Sarkozy. Und auch Merkel betonte: „Wir müssen jetzt möglichst schnell eine Lösung finden, damit Klarheit in die ganze Sache kommt.“ Aber: „Dazu müssen technische Gespräche geführt werden. Die können wir heute hier nicht führen.“

Und wenn das alles nichts hilft? Nicht das aktuelle Hilfspaket mit einem Wert von 110 Milliarden Euro, nicht das möglicherweise zweite Paket mit bis zu 120 Milliarden Euro? Gibt es einen Plan B, wird Merkel gefragt. Ihre nüchterne Antwort: „Wenn-Dann-Fragen stellen wir nicht.“

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