Analyse: De Maizière will IS-Propaganda-Feldzug stoppen

Berlin (dpa) - Den Islamischen Staat gibt es in Deutschland eigentlich gar nicht. Er hat hier keine Mitglieder, keinen Vorsitzenden, keine Organisationsstruktur und keine Adresse. Deswegen kann er auch nicht als Verein verboten werden.

Trotzdem ist die Terrorgruppe in Deutschland präsent. Im Internet kursieren unter IS-Logo Videos, in denen Hinrichtungen in Syrien und im Irak gezeigt werden. In Kurzfilmen mit deutschen Untertiteln wird dazu aufgerufen, den „Heiligen Krieg“ von Jerusalem über Konstantinopel (heute Istanbul) bis nach Rom zu tragen.

Ende Juli erschien erstmals die IS-Zeitschrift „Dabiq“ in deutscher Sprache mit dem Titel „Die Rückkehr der Khilafah (Kalifat)“. Und die schwarze Fahne des IS mit der ersten Sure des Koran in alter arabischer Schrift und dem Siegel des Propheten Mohammed wurde auf Demonstrationen gezeigt, ohne dass die Polizei etwas dagegen tun konnte. Damit soll jetzt Schluss sein.

Innenminister Thomas de Maizière trat vor die Presse und verkündete das Verbot aller Aktivitäten des IS in Deutschland. „Die Terrororganisation Islamischer Staat ist eine Bedrohung - auch für die Sicherheit in Deutschland. Dieser Bedrohung treten wir heute entschlossen entgegen.“

Diskutiert wird über ein IS-Verbot schon seit Wochen. Dass es trotz der martialischen Propaganda und der Berichte über deutsche IS-Kämpfer in Syrien und im Irak so lange dauerte, hat einen guten Grund.

Das Innenministerium prüfte wochenlang, ob die IS-Symbolik von anderen Organisationen oder einzelnen Personen verwendet wird. Schließlich handelt es sich bei den Schriftzeichen nicht um einen volksverhetzenden Slogan, sondern - im Gegenteil - um ein Glaubensbekenntnis aus dem Koran. Die Prüfung ergab: In dieser Kombination (Koran-Sure und Propheten-Siegel), in dieser speziellen arabischen Schrift und auf schwarzem Grund verwendete nur der IS seit 2004 die Symbolik.

„Wir wollten sicher gehen, dass wir dort nicht religiöse Gefühle von Moslems verletzen“, sagt de Maizière. Dem CDU-Politiker geht es darum, den Propaganda-Feldzug des IS zu stoppen, mit dem die Islamisten weltweit tausende junge Männer angeworben haben. Unter den 20 000 bis 30 000 IS-Kämpfern in Syrien und im Irak sollen 400 Deutsche sein.

Auf den Propaganda-Videos ist beispielsweise ein 27-jähriger deutscher Konvertit zu sehen, der im vergangenen Jahr vom niederrheinischen Dinslaken aus in den Dschihad zog und sich in Syrien bei einem Selbstmordanschlag in die Luft gesprengt haben soll.

Etwa 40 Deutsche sind im Krieg des IS bisher ums Leben gekommen. Rund 100 sollen nach Deutschland zurückgekehrt sein. De Maizière befürchtet, dass damit die Gefahr von Terroranschlägen steigen könnte. „Wir müssen verhindern, dass radikalisierte Islamisten ihren Dschihad in unsere Städte tragen“, sagt er.

Die Umsetzung des Verbots ist aber nicht ohne Probleme möglich. Der IS verbreitet seine Propaganda zu einem großen Teil über Facebook und Twitter. De Maizière setzt auf die Kooperation der Internetdienste. Ob sie im Zweifelsfall für die Verbreitung verbotener Inhalte haftbar gemacht werden können, ist aber umstritten.

Es wird auch nicht ganz einfach sein, gegen das Zeigen von IS-Symbolen auf Demonstrationen vorzugehen. Die Polizei darf nur Fahnen einkassieren, die eindeutig das IS-Emblem zeigen. Schon bei einer veränderten Schrift oder einer anderen Farbe sind der Polizei die Hände gebunden.

Bei einem Verstoß gegen das Verbot drohen dem Täter bis zu zwei Jahre Haft. Gleichzeitig versucht das Innenministerium die Aus- und Einreise von islamistischen Kämpfern besser zu kontrollieren. De Maizière verweist darauf, dass erst vor wenigen Tagen drei Islamisten der Al-Shabaab-Miliz bei ihrer Rückkehr aus Somalia verhaftet wurden. „Wir können nicht mit Sicherheit sagen, ob wir alle erwischen“, sagt de Maizière. „Aber die Sicherheitsbehörden haben bisher gute Arbeit geleistet.“

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