Analyse: An Oprah Winfrey kommt in den USA kaum jemand vorbei

New York (dpa) - Oprah Winfrey kommt von ganz unten. Und ist nun ganz oben. Einst war sie drogenabhängig und arbeitslos, heute ist sie Milliardärin und gehört zu den mächtigsten Frauen der Welt, wie das New Yorker Magazin „Forbes“ meint.

Neunmal schaffte sie es auch beim Magazin „Time“ auf die Liste der 100 einflussreichsten Personen - öfter als jeder andere. Zum Vergleich: Bundeskanzlerin Angela Merkel war bislang nur fünfmal in dieser Liste vertreten.

Winfrey hat einen eigenen Sender, ist mit Präsident Barack Obama und dessen Frau Michelle befreundet und kann Karrieren fördern oder zerstören. Kein Wunder, dass sich Lance Armstrong (41) ausgerechnet die inzwischen 58 Jahre alte Talk-Königin ausgesucht hat, um wieder ein Bein auf die Erde zu kriegen. Und auch für Winfrey könnte der gefallene Sportgott ein gutes Mittel sein, ihre zuletzt schwachen Quoten wieder aufzupolieren. Entsprechend wird das Interview mehrere Tage in allen Medien vermarktet.

„Als ich 1954 in Mississippi geboren wurde, damals ein Staat noch mit Rassentrennung, war ich ein Neger“, sagte Winfrey vor zwei Jahren. Ihre Eltern waren unverheiratete Teenager. Mit 15 wurde sie selbst schwanger, das Kind starb. Sie nahm Rauschgift und wurde esssüchtig, doch sie bekam sich in den Griff.

Heute wird ihr Jahreseinkommen auf 300 Millionen Dollar (etwa 225 Millionen Euro) geschätzt. Die frühere Sozialhilfeempfängerin war lange der einzige Mensch mit schwarzer Hautfarbe unter den gut 1000 Milliardären auf der Erde.

Winfrey ist eine Wirtschaftsmacht: Es sind oft ihre Empfehlungen, die im Buch- oder Modemarkt über Wohl und Wehe entscheiden. Bei ihr sei man „auf der Überholspur zum amerikanischen Traum“ aus Ruhm und Erfolg, schrieb die „New York Times“. Einige Produkte wären ohne Nennung in einer ihrer Shows nie ein Erfolg geworden. Die Literaturzeitschrift „Publishers Weekly“ rechnete beispielsweise aus, dass die Empfehlung in „Oprahs Book Club“ 63 Bücher in Bestseller verwandelt habe.

Oprah bringt die Sorgen des Alltags, fein aufbereitet, mit viel Verständnis serviert. Große Stars waren bei ihr: Der vor Liebesglück auf der Couch herumhüpfende Tom Cruise ebenso wie Unternehmer, Künstler und zuweilen sogar Präsident Barack Obama nebst First Lady Michelle.

Aber die eigentlichen Stars sind die kleinen Leute, die mit zwölf schwanger werden, seit Jahrzehnten nicht aus dem Haus gehen, schwere Schicksalsschläge erleiden oder an bizarren Süchten und Ängsten leiden. Fälle, mit denen sich die 40 Millionen (zumeist weiblichen) Zuschauer noch identifizieren können, bei denen die eigenen Probleme aber gleich etwas kleiner werden. Zudem winken für das Publikum großzügige Gewinne. Einmal nahm sie alle Gäste mit nach Australien, einmal bekam jeder im Studiopublikum ein Auto geschenkt.

Dass nicht alles zu Gold wird, was sie berührt, zeigt ihr eigener Sender. OWN, ihr Oprah Winfrey Network, gibt es seit zwei Jahren - und seit zwei Jahren macht der Sender Verlust. Weil sich im ersten Jahr die Zuschauerzahlen halbierten, übernahm Winfrey nach einem halben Jahr die Führung ihres Senders und versucht das schlingernde Schiff, wieder auf Erfolgskurs zu bringen. Wirtschaftlich mag Winfrey angekratzt sein - das Denkmal Oprah glänzt für die meisten Amerikaner aber nach wie vor.

Oprah fragt immer verständnisvoll, plaudert mit ihren Gästen. Armstrong muss mit privaten, sehr privaten Fragen rechnen, aber nicht mit einem investigativen Interview. Winfrey will unterhalten, das hat sie nie geleugnet. Die „Moderatorin, die zu einer Pop-Ikone wurde“ (CNN) entlockt vieles, aber nur, was vorher abgesprochen war. Denn Winfrey mag reich, mächtig, unterhaltsam und einfühlsam sein: Vor allem aber ist sie hochprofessionell.

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