Alexis Tsipras: Vom Hoffnungsträger zum Drachme-Regierungschef?

Athen (dpa) - Alexis Tsipras präsentiert sich fast immer kämpferisch. Noch vor kurzem rief er mit erhobener, geballter Faust und aggressiver Rhetorik zum „Kampf für den Sturz“ des Sparprogramms auf, das die Griechen zu einer „in Friedenszeiten noch nie dagewesenen Verelendung“ geführt habe.

Alexis Tsipras: Vom Hoffnungsträger zum Drachme-Regierungschef?
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Inzwischen schlägt der 40-jährige Star des Linksbündnisses Syriza etwas moderatere Töne an. Zudem stellt er Wahlversprechen zurück. Denn ohne die internationalen Geldgeber droht dem Euro-Krisenland die Staatspleite - und die Rückkehr zur alten Währung Drachme.

Der Druck auf Tsipras wächst mit jedem Tag. Schon im April könnte Athen das Geld ausgehen, wenn es Reformvorgaben nicht erfüllt. Bisher ist es dem Politiker nicht gelungen, die Geldgeber zu überzeugen, dass Griechenland an den Grenzen seiner Leidensfähigkeit angelangt ist und die Menschen eine Verschnaufpause verdient haben. Seine Vorgänger, die Konservativen und die Sozialisten, nennt er „Merkelisten“, die ohne Gegenwehr alle Spardiktate unterzeichnet hätten.

Innenpolitisch hat der Syriza-Chef seit seinem Wahlsieg im Januar kaum etwas bewirkt. Die Arbeitslosigkeit steigt, die Einnahmen des Staates schrumpfen, Wachstum ist nicht in Sicht. Griechenland scheint wie erstarrt, viele Menschen warten darauf, was geschehen wird.

Tsipras versteht es, das Volk in populistischem Stil direkt anzusprechen. „Wer hat die Frechheit zu verlangen, dass Tausende Griechen frieren müssen“, sagte er jüngst im Parlament, als ein Vertreter der internationalen Geldgeber die von seiner Regierung im Alleingang beschlossenen Hilfen von 200 Millionen Euro für mittellose Menschen kritisierte.

Aber in den Verhandlungen mit den Euro-Partnern brachte das ebenso wenig wie die Mischung von Drohungen, Beleidigungen und Forderungen, mit denen seine Minister Europa verschreckten. Wahlweise wollen sie Hunderttausende Migranten nach Berlin schicken, wenn Griechenland finanziell nicht länger unterstützt wird. Oder sie fordern Reparationen für die Zerstörungen der deutschen Besatzer vor 70 Jahren während des Zweiten Weltkrieges.

So läuft Tsipras Gefahr, der erste Regierungschef der griechischen Post-Euro-Ära zu werden. Den Schuldigen dafür hat er schon genannt: konservative Kräfte, die in den Entscheidungszentren säßen und seine Regierung finanziell gängelten, damit der „Erfolg“ seiner Syriza-Linkspartei nicht in andere EU-Staaten überschwappt.

Nun kommt „Der Alexis“, wie ihn seine Anhänger nennen, in eines der wichtigsten Entscheidungszentren, nach Berlin. Wie gewohnt ohne Krawatte - die will er sich erst im Falle eines Schuldenschnitts für sein Land umbinden. Beim Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) könnte die Verständigung etwas schwierig werden: Tsipras spricht kein gutes Englisch. Immerhin soll er zuletzt intensiven Sprachunterricht genommen haben.

Daheim ist Tsipras in den vergangenen zehn Jahren bereits ein politisches Meisterstück gelungen: Unter seiner Führung erlebte das Bündnis der Radikalen Linken (Syriza) einen fulminanten Aufstieg - von 4,6 Prozent im Jahr 2009 auf 26,9 Prozent 2012. Am 25. Januar gewann er die Wahlen klar mit 36,3 Prozent.

Wer dem smarten Politiker begegnet, hat wenig Gründe, ihn nicht zu mögen. Sein leichtes Lächeln wirkt mitunter mysteriös und doppeldeutig.

Seine politische Laufbahn begann Tsipras in den 1990er Jahren als Anführer von Schülerprotesten. Schnell stieg er bis an die Spitze der „Eurokommunisten“ in Griechenland auf - einer damals vor allem in südeuropäischen Ländern starken Reformbewegung, die sich von dem Erneuerer der italienischen KP, Enrico Berlinguer, inspirieren ließen. 2004 wurde Tsipras zum Syriza-Präsidenten gewählt.

Tsipras ist Vater zweier Kinder und lebt mit seiner Lebensgefährtin in einem Athener Arbeiter- und Angestelltenviertel.

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