Zé Roberto: Verschmähte Weltklasse

Den Bayern war Zé Roberto (35) zu alt. In Hamburg zeigt er, dass er zu den Besten der Liga gehört. Immer noch.

Hamburg. Da saß er nun im Aktuellen Sportstudio und wurde gefragt, warum er noch so gut Fußball spielt. Als müsse er sich rechtfertigen, dass er mit 35 Jahren noch anständig gegen den Ball treten kann. Zé Roberto lächelte nur. Er kennt solche Fragen, die hört er häufiger. "Nun", sagte er. "Ich habe immer auf mich geachtet, war nie schwer verletzt. Meine Familie gibt mir Halt, ich ernähre mich gut, schlafe viel. Dass ich so fit bin, das ist eine Gabe Gottes." Und bei McDonalds, da esse er inzwischen weniger.

ZéRoberto

Wer Zé Roberto in diesen Wochen nach seinem Wechsel von Bayern München zum Hamburger SV sieht, der mag kaum glauben, dass sich dieser Mann jemals von Fast Food ernährt hat. Mit 35 ist der Brasilianer zum Schwungrad des HSV geworden - dank überragender Technik, Übersicht, Zweikampfwerte und, ja, Schnelligkeit. Im Training schiebt er Zusatzschichten, jeden Tag macht er viermal 40 Sit-ups. "Wenn du Profi bist, musst du auch danach leben", sagt Zé Roberto, der am Donnerstag Abend mit dem HSV in der Europa League gegen Celtic Glasgow (19 Uhr/Sat1) der nächsten Runde ein Stück näher kommen will.

Tugenden wie Disziplin, Pünktlichkeit und Selbstbeherrschung seien ihm schon als Kind eingeflößt worden, sagt er. "Mein Vater hat die Familie früh verlassen, meine Mutter musste an zwei Arbeitsstellen auf einmal tätig sein", sagt er. Daher sei er häufig auf sich gestellt gewesen. "Das Leben hat mir beigebracht, wie man sich alleine durchschlägt." Das helfe ihm auch heute noch. Sportlich wie privat. Seine Frau und seine drei Kinder wohnen noch in München, sollen bald aber nachkommen.

Bei den Bayern hatten sie ihn im Sommer für zu alt befunden, obwohl er auch dort einer der wichtigsten Spieler gewesen war. Uli Hoeneß wollte dem 35-Jährigen nur einen Einjahresvertrag anbieten. Da ging der Brasilianer lieber nach Hamburg, unterschrieb dort für zwei Jahre. Nach England wollte er nicht, der Fußball dort sei ihm zu brutal. "Ich bin froh, dass wir Zé bekommen haben - als Spieler und als Mensch", sagt Trainer Bruno Labbadia.

Nach Information des "Spiegel" kein ganz preisgünstiger Transfer - obwohl Zé Robertos Vertrag, so hieß es, in München ausgelaufen war. Doch erst später stellte sich heraus, dass der Brasilianer dem uruguayischen Club Nacional Montevideo gehörte, wo er 2006 für fünf Jahre unterschrieben hatte, allerdings nie mit der Absicht, dort auch zu spielen. Sein Berater Juan Figer hatte ihn nur geparkt, um an einer Ablöse mitzuverdienen. Die Bayern bezahlten dem Vernehmen nach pro Saison eine Million Euro, die Hamburger kauften ihn: für vier Millionen Euro. Dafür soll Zé Roberto auf Gehalt verzichtet haben.

Dass er das Geld wieder hereinspielt, bezweifelt kaum einer. Die HSV-Fans lieben ihn. Schon jetzt werden Stimmen laut vom "besten Zé Roberto aller Zeiten". "Dieses Ansehen bei den Fans hat mich total überrascht. Ich hätte nie gedacht, mit 35 Jahren so einen Moment zu erleben. Fan-Liebling, in der Bundesliga oben dabei, unglaublich", sagt er.

Welchen Stellenwert er in der Mannschaft schon hat, zeigte sich in dieser Woche. Zé Roberto hatte seinen Trainer Bruno Labbadia dafür kritisiert, dass er im Spiel gegen Borussia Mönchengladbach (2:3) den angeschlagenen Jerome Boateng nicht vom Feld genommen hatte. Labbadia schoss zurück. So dürfe sich ein Spieler nicht in der Öffentlichkeit äußern. Doch das sehen die Kollegen anders. "Es muss erlaubt sein, eine Meinung zu haben", sagte Frank Rost der "Hamburer Morgenpost". Er muss das wissen. Und Dennis Aogo findet: "Er hat eine Position, in der er sagen darf, was er denkt."

Neben einem Titel mit dem HSV hat Zé Roberto noch ein Ziel: die WM 2010 in Südafrika. 2006 war er auf Drängen der Bayern aus der Selecao zurückgetreten. Heute nennt er das seinen größten Fehler. "Bei jedem Spiel der Nationalmannschaft sitze ich vor dem Fernseher. Mir tut es in der Seele weh, dass ich nicht dabei bin", sagt er. Gut möglich, dass sich sich das bald ändert. Und vielleicht muss er dann noch öfter erklären, wieso man mit 35 noch ein guter Kicker sein kann.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort