Kolummne WM-Vorerfahrungen: Das russische Visum

Nach Russland zu fahren, ist eine schöne Sache. Aber wirklich einfach ist es nicht. Und das kommt daher: Man braucht für dieses riesige Land ein Visum. Wer keines hat, kommt nicht hinein.

Kolummne: WM-Vorerfahrungen: Das russische Visum
Foto: dpa

Man nimmt das zur Kenntnis, beantragt selbiges und fährt in eines der Generalkonsulate der Russischen Föderation in Deutschland. Zum Beispiel nach München. In Bogenhausen, Maria Theresia Straße, schönes Gebäude, viele freundliche russische Menschen in der Schlange vor dem Tor. „Ohne Geduld geht hier nicht“, sagt einer.

Endlich bin ich drin, Schalter sechs, sagt der Empfangschef, grimmig blickend, Journalist? Rollo unten an Schalter sechs, ich bin der Einzige davor. Irgendwann geht das Rollo hoch. „Ich wollte mein Visum abholen.“ Mein Gegenüber schaut, als hätte ich nicht nur ein Visum sondern einen Termin bei Wladimir Putin haben wollen. „Reisepass“, eine Hand schnellt nach vorne. „Der ist bei Ihnen im Konsulat.“ Geht nicht, unmöglich, sagt er. „Doch“, sage ich. „Blöde Sache“, sagt er, „musst du nochmal kommen, viel Arbeit. Nochmal mit Pass.“ Ich sage: „Aber …“ Mehr geht nicht, das Rollo ist schon wieder unten. Kein Visum, kein Pass, was tun? Anruf im Konsulat. „Am besten, Sie kommen nach München“, sagt Mariya. „Ich stehe vor Ihrer Haustür, ich bin in München.“ Mariya: „Kann ich Ihnen nicht helfen.“

Anruf in Berlin, in der russischen Botschaft. „Ich bin akkreditierter Journalist für die Fußball-Weltmeisterschaft, aber Ihr lasst mich ja nicht hinein in Euer Land.“

Immer wieder der Verweis: Gehen Sie, und wenn, dann nur nach München. Noch zweieinhalb Wochen bis zur Weltmeisterschaft, kein Visum, kein Pass. Irgendwann meldet sich das Visa-Zentrum in München, dem Generalkonsulat angeschlossen, Unsöldstraße. Aber die Münchner Russen fragen immer nur nach nach Staatsangehörigkeit, Passnummer, Art des Visums, Reisezweck? „Habt Ihr doch alles“, schreibe ich. Ein Kollege aus Deutschlands Norden sagt: „Ersatzpass auf dem Amt holen und es damit versuchen.“ Die freundliche Dame auf dem Bürgeramt stellt mir einen Übergangspass aus. Kleiner Nachteil: Der aktuelle Reisepass wird für ungültig erklärt. Gut, sage ich, Risiko.

Neue Post aus München: Wie sieht es aus mit der Staatsangehörigkeit? Und was wollen Sie in Russland? Noch zwei Wochen bis zur Weltmeisterschaft. Neue Nachricht aus München. Die Unterlagen liegen vor, auch der Pass, Bearbeitungsgebühr und Express-Lieferung 97 Euro, „dann geht schneller“. Sei es drum, ich brauche den Krempel. Freitagabend letzter Woche ein Anruf aus München. Ein freundlicher Mann: „Ihr Pass ist auf dem Weg, Visum ist drin. Gute Reise nach Moskau.“ Umarmen ging ja nicht, aber gefreut habe ich mich riesig. Drei Tage gespanntes Warten.

Anruf der Kollegin aus dem Service-Center. Da habe ein freundlicher Bürger einen DHL-Brief abgegeben. Der hatte das gelbe DHL-Teil auf der Burgstraße gefunden, weil der findige Briefträger das falsch verteilt hatte. Jedenfalls lag das Teil auf der Straße. Bis der Zeitgenosse es fand und ablieferte. Ich bin immer noch auf der Suche nach diesem wundervollen Menschen, der meine Reise nach Russland fast im Alleingang sicherstellte. Und während ich so das Papier bewunderte, rief nochmals das Visazentrum in München an. Wenn ich jetzt nicht bald meine Staatsangehörigkeit und meine Passnummer mitteilen würde, sehe man sich nicht in der Lage, eine rechtzeitige Zustellung des Visums zu garantieren.

Ich fliege nach Paris, habe ich gesagt.

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