SKI NORDISCH Viele Verlierer bei Freiluftlotterie

Sturmtief „Axel“ bläst Markus Eisenbichler in Innsbruck auf Platz 29 — Severin Freund ist abgereist.

„Das hat heute keinen Spaß gemacht: den Sportlern nicht, den Betreuern nicht und den Zuschauern nicht“, sagte der Bundestrainer Werner Schuster.

„Das hat heute keinen Spaß gemacht: den Sportlern nicht, den Betreuern nicht und den Zuschauern nicht“, sagte der Bundestrainer Werner Schuster.

Foto: dpa

Heilbronn. Werner Schusters Augenbrauen tanzten Tango. Als der deutsche Bundestrainer in der Turnhalle der Pädagogischen Hochschule Tirol, dem Pressezentrum der dritten Station auf der Vierschanzentournee, die Ergebnisliste studierte, traute er seinen Augen nicht. Sturmtief „Axel“ hatte die Schanze am Bergisel in die weltgrößte Freiluftlotterie verwandelt. Bei der in lediglich einem Sprung durchgeführten Ziehung drei aus 48 schaffte es verdientermaßen in der Tourneewertung nun führende Daniel-André Tande (Norwegen/128,5 Meter) ganz oben aufs Podest, gefolgt von Axels nun dicksten Kumpeln Robert Johansson (Norwegen/133) und Evgeniy Klimov (Russland/127).

Der Pole Kamil Stoch stürzte beim Probedurchgang auf die linke Schulter. „Ich kann den Arm nicht richtig bewegen. Aber bei der Form, die ich momentan habe, wollte ich springen“, sagte Stoch. Dank 120,5 Metern und Platz vier übernahm er den zweiten Platz in der Gesamtwertung von Stefan Kraft. Der nun Gesamtdritte war nur in halber Kraft, verbrachte die halbe Nacht auf der Toilette, sprang 116 Meter und auf Platz 18: „Das war ein bisschen ein Scheißtag.“ Sein Zimmerkollege Michael Hayböck konnte wegen eines Magen-Darm-Infekts nicht einmal starten. Kurios: Auch dessen Gegner im K.o.-Duell, Severin Freund, startete nicht. Wegen „eines beginnenden grippalen Infekts“, teilte der deutsche Mannschaftsarzt Dr. Mark Dorfmüller mit. Freund fuhr noch am Dienstag nach Hause. Und Markus Eisenbichler wurde als 29. (112) aus der Lostrommel geworfen und rutschte von Gesamtrang vier auf sechs ab.

„Das hat heute keinen Spaß gemacht: den Sportlern nicht, den Betreuern nicht und den Zuschauern nicht“, sagte also Werner Schuster, nachdem sich seine Augenbrauen wieder etwas beruhigt hatten. Aber man habe alles probiert und es gebe nun einmal gewisse Rahmenbedingungen — an diesem Donnerstag hat die Show in Bischofshofen schon wieder weiterzugehen. „Ich bin heute nicht glücklich“, sagte Schuster. Aber man teile das Leid mit den Slowenen und vor allem den Österreichern: Stefan Kraft bekam ebenso wie Markus Eisenbichler nach 43 beziehungsweise 44 Sekunden bei schwierigen Bedingungen grünes Licht für seinen Sprung — nach 45 Sekunden dürfen die Athleten vom Balken und auf eine neue Chance warten. Dumm gelaufen, vom Winde verweht.

„Ich war echt sauer, dass es keinen zweiten Durchgang gegeben hat. Ich wollte noch einmal angreifen“, schimpfte Bundespolizist Eisenbichler. Aber der erste Durchgang hatte Spielfilmlänge, die Dämmerung setzte bald darauf ein. „Der Sprung war nicht so schlecht. Ich werde mich wie bisher nicht rausbringen lassen.“ Aber seine 24,7 Punkte (13,72 Meter) Rückstand auf Platz drei beziehungsweise auf Stefan Kraft, sind ein Brett.

Zum kuriosen Tag passte, dass der bisher schwächste Deutsche, Karl Geiger, die besten Bedingungen hatte. Das verhalf zu 125 Metern und Platz 15. Bester deutscher Adler war dennoch Stephan Leyhe, der an diesem Donnerstag 25 Jahre alt wird. Er bekam bei seinen 120,5 Metern nicht so viele Windpunkte abgezogen und wurde Elfter. Andreas Wellinger wurde 13. (119), Richard Freitag 28. (114) und sagte: „Da braucht man nicht groß diskutieren, der Wettkampf zählt. Aber er war halt kurios, weil du selber deine Leistung überhaupt nicht einschätzen kannst.“

Der Platz von Severin Freund werde auch in Bischofshofen nicht nachbesetzt, teilte Werner Schuster mit. „Severin soll jetzt mal gesund werden. Dann schauen wir, wann er zurück kommt, ob wir Trainingstage einlegen.“ Und als die Augenbrauen von Werner Schuster ihre Normalposition erreicht hatten, sagte er noch: „Wir hatten in dieser Saison schon Slowenen-Tage, Österreicher-Tage und Polen-Tage. Heute war Norweger-Tag. Wir arbeiten daran, dass wir auch mal wieder einen Deutschland-Tag kriegen.“ Ohne Hilfe eines Sturmtiefs.

Noch am Mittwoch ist der Tourneetross nach Bischofshofen weitergezogen. Auf der Paul-Außerleitner-Schanze geht es an diesem Donnerstag mit der Qualifikation und am Dreikönigstag mit dem finalen Springen (jeweils 16.45 Uhr/ZDF und Eurosport) weiter. Am Fuße des Hochkönigs geht es um den goldenen Tourneeadler und die relativ bescheidene Prämie von 20 000 Schweizer Franken (rund 18 700 Euro). „Das Preisgeld ist egal, das ist eine Nebensache“, sagt der 23 Jahre alte Österreicher Stefan Kraft. „In meinem Alter so viel zu verdienen ist ein Wahnsinn. Ich weiß das zu schätzen. Es ist schön, dass unser Sport so gut ankommt und so viele Leute kommen.“ In Bischofshofen werden 25 000 Zuschauer erwartet; am Bergisel in Innsbruck waren an einem ganz normalen Mittwoch 20 000 Fans gekommen. Das Auftaktspringen in Oberstdorf hatten 25 500 Zuschauer verfolgt, das Neujahrsspringen in Garmisch Partenkirchen 20 000 — jeweils ausverkauft.

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