Interview Russlands Biathlon-Trainer Groß: „Ich habe das Versprechen der Athleten“

Russlands Biathlon-Trainer Ricco Groß über Doping, Sprachprobleme und die Wertschätzung seiner Arbeit.

Interview: Russlands Biathlon-Trainer Groß: „Ich habe das Versprechen der Athleten“
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Ruhpolding. Ricco Groß hat nach fünf Trainerjahren beim Deutschen Skiverband als Biathlon-Trainer der russischen Mannschaft eine neue Herausforderung. „Man muss auch bereit sein, das Risiko einzugehen, etwas anderes lernen zu wollen“, sagt der aus dem sächsischen Schlema stammende 45-Jährige im Interview.

Herr Groß, könnten wir dieses Interview auch auf Russisch führen?

Ricco Groß: Nein. Ich würde zwar viel verstehen, aber auf Deutsch oder Englisch antworten.

Aber Sie haben doch Russisch in der Schule gelernt.

Groß: Und ich hätte es nie für möglich gehalten, dass ich es mal gebrauchen kann.

Wie verständigen Sie sich mit Ihrer Mannschaft?

Groß: Zum einen habe ich zwei Trainer, die Deutsch sprechen. Und das, was wir sagen wollen, bringen wir schon zusammen. Bei tiefergehenden Gesprächen wird es logischerweise schwer.

Warum arbeiten Sie nicht mehr in Deutschland?

Groß: Es hat sich so ergeben. Die Chance hat sich aufgetan - und ich habe Sie genutzt. Der russische Verband hat am intensivsten nachgebohrt. Ich bin im vergangenen Winter oft genug angesprochen worden, warum ich jetzt im IBU- und nicht im Weltcup arbeite. Da hatte ich wenig Antworten drauf.

Warum haben Sie denn im IBU-Cup gearbeitet?

Groß: Das hat sich nach Olympia so ergeben.

Sotschi ist nicht gut gelaufen, aber normalerweise übernimmt dann der Cheftrainer die Verantwortung. Der ist noch im Amt, Sie sind in der 2. Liga verschwunden.

Groß: Es war ganz einfach eine neue Aufgabenstellung, die ich seitens des Skiverbandes bekommen habe. Ich glaube auch, dass ich einen guten Job gemacht habe. Das zeigen mir zumindest die Ergebnisse. Es war eine schöne Saison und ein tolles Lehrjahr.

Im Ausland sind Sie in anderer Position gesehen worden. Eine Genugtuung?

Groß: Mehr eine Wertschätzung. Das war sehr schön, dass das auch andere Nationen gesehen haben.

Hat Ihnen die Wertschätzung beim Deutschen Skiverband gefehlt?

Groß: Es geht immer darum, erbrachte Leistungen realistisch einzuschätzen. Da gab es teilweise Differenzen. Aber das ist ein abgeschlossenes Kapitel. Jetzt arbeite ich für eine andere Nation — in meinem Traumjob.

Ist die Tür jetzt zu?

Groß: Für mich nicht.

Wie ticken denn die Russen?

Groß: Ein bisschen anders. Ich habe den Biathlonsport in fast allen Facetten durchleben dürfen: Ich war Athlet, ich habe beim Fernsehen gearbeitet, ich war im Organisationskomitee, als Trainer. Jetzt sehe ich das auch mal bei einer anderen Nation. Das ist ein Teil, der noch gefehlt hat.

Es wird immer viel von der russischen Seele gesprochen. Können Sie die mal beschreiben?

Groß: Ich glaube eher, dass das ein Klischee ist. Die Schwierigkeit dieses Landes im Biathlon ist, tatsächlich die besten Sechs für den Weltcup herauszupicken. Als ich im September die russischen Meisterschaften mit mehr als hundert Athleten gesehen habe, war ich extrem überrascht. Es ist eine Riesenauswahl.

Wolfgang Pichler, der schon die russischen Frauen trainiert hat, sprach vom enormen Druck.

Groß: Es geht auch in Russland um Erfolg.

Aus der Leichtathletik weiß man, dass Sportminister Mutko gerne Druck ausübt. Auch beim Biathlon?

Groß: Zumindest kommt eine klare Zielstellung. Die ist auf die Olympischen Spiele 2018 ausgerichtet. Ich empfinde sie als realistisch.

Wie gehen Sie mit dem Druck um?

Groß: Man darf sich nicht verrückt machen lassen. Wenn man einen Plan hat und davon überzeugt ist, sollte man so wenig wie möglich davon abweichen. Die Sportler merken, dass sie sich verbessert haben, dadurch ist eine Vertrauensbasis da. Wir arbeiten Schritt für Schritt.

Lassen sich deutsche Trainingspläne auf russische übertragen?

Groß: Es gibt tatsächlich unterschiedliche Trainingssysteme. Für mich ist das sehr wichtig, so etwas auch zu lernen. Und es gibt auch grundlegende Dinge, die im deutschen Biathlon nicht gemacht werden.

Ist das ein Geheimnis?

Groß: Für mich ja, weil man mit dem Wissen, das man sich angeeignet hat, nicht hausieren gehen muss. Das ist ja ein Pfund, das man irgendwann einmal hat.

Sie gehen ein großes Risiko ein. Die Leichtathleten sind wegen Dopings suspendiert, auch bei den letzten beiden Dopingskandalen im Biathlon waren Russen involviert. Haben Sie keine Bedenken?

Groß: Natürlich macht man sich auch darüber Gedanken. Aber ich sage auch knallhart: Der Verband versucht alles Mögliche, dass so etwas nicht passiert. Alle Möglichkeiten, mit der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada zusammenzuarbeiten, sind seitens des Verbandes gegeben. Wir haben uns sehr bewusst auch viel im mitteleuropäischen Raum aufgehalten, so dass wir ständig kontrolliert werden können. Das Versprechen der Athleten, nicht zu dopen, habe ich auch. Als wir uns anfangs darüber unterhalten und ich gesagt habe, dass ich definitiv nur für sauberen Sport bin, haben alle Sportler gesagt: Wir auch. Aber wenn du natürlich irgendwo ein schwarzes Schaf dabei hast . . .

Lässt man sich da eine Klausel in den Vertrag schreiben? Es geht ja auch ums eigene Image.

Groß: Die Möglichkeit besteht. Auf Inhalte gehe ich nicht ein.

Nutzt die Wada denn die Chance, russische Biathleten zu testen?

Groß: Definitiv. Ob häufiger als früher weiß ich nicht. Zumindest aber ist die Möglichkeit geboten, dass man nicht den weiten Weg nach Russland mit Visapflicht machen muss. Sondern wir trainieren in Obertilliach, in der Ramsau oder in Oberhof — und sie fahren dorthin zum Kontrollieren.

Sie sind also gar nicht so viel in Russland?

Groß: Ich bin nicht dramatisch mehr unterwegs als zuvor. Den Weltcup-Winter sind wir sowieso immer unterwegs.

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