Nach Olympia-Schock: Die Angst fährt immer mit

Igls (dpa) - Die Angst fährt immer mit. Wenn die Rennrodler im nacholympischen Winter wieder um Weltcup-Punkte und WM-Ehren kämpfen, ist die Erinnerung an den Tod des Georgiers Nodar Kumaritaschwili bei den Winterspielen 2010 allgegenwärtig - wie auch die Furcht vor weiteren Unfällen.

„Mit dieser Sorge müssen wir die nächsten Jahre leben. Uns ist klar, dass wir unter besonderer Beobachtung stehen“, erklärte Präsident Josef Fendt vom Rodel-Weltverband FIL vor dem Start in die neue Saison am Wochenende im österreichischen Igls.

Am 12. Februar - wenige Stunden vor Eröffnung der Winterspiele in Vancouver - geschah das Unfassbare. Im Training auf der umstrittenen Hochgeschwindigkeitsbahn von Whistler stürzte der 21-Jährige, schoss aus der Eisrinne und prallte gegen einen Stahlpfeiler. Nach dem ersten Schock stand die Frage nach möglichen Schuldigen im Raum. Doch nach monatelangen Untersuchungen befanden die kanadischen Behörden: Es war ein tragischer Unglücksfall. Auch der Rodel-Weltverband sah eine „unvorhersehbare Verkettung unglücklicher Umstände“.

Ungesühnt bleibt damit das Geschehen. Den Verantwortlichen aber bleibt die Aufgabe, die Sportler zu schützen. „Es ist passiert. Es hätte nicht passieren dürfen. Und so etwas darf künftig auf keinen Fall mehr passieren“, mahnt etwa Olympiasieger Felix Loch.

„Von unserer Seite wird alles getan, was wir tun können“, verspricht Fendt. Weltweit seien alle Bahnen einem technischen Sicherheitscheck unterzogen worden. Ergebnis: schwere Mängel Fehlanzeige. Im Rückblick auf den Todessturz wurden aber Banden an manchen Kurvenausfahrten erhöht. Doch dem Sicherheitsstreben sind Grenzen gesetzt: „Wenn wir die Bahnen mit meterhohen Banden versehen würden, könnte man unseren Sport nicht mehr verfolgen“, sagt Fendt.

Höchstes Gebot ist die Tempo-Reduzierung. Dies gilt auch für die Olympia-Eisrinne 2014. „Wir haben Sotschi gebeten, bitte sorgt für eine sichere Bahn. Sicherheit ist unser oberstes Gebot“, mahnte IOC- Präsident Jacques Rogge. Dafür muss ein - genehmigter - Rodel- Temporausch wie in Whistler, wo es statt der geplanten 136 Stundenkilometer Höchstwerte von fast 154 gab, der Vergangenheit angehören.

Geplant war Sotschi nach Angaben Fendts auf ein Tempo von „ein bisschen über 140“. Doch nach dem Whistler-Unfall wurde reagiert: „An drei Stellen hat man nun leichte bis etwas stärkere Auffahrten drin“, erklärt der Präsident die neuen Planungen. „Tempo 135 ist das Planungsziel, das nicht überschritten werden darf.“

Wie eine Tempoverminderung in Whistler geschehen soll, ist noch unklar. Anders als bei den Bob-Piloten, die gerade in Kanada an den Start gehen, steht die in Verruf geratene Eisrinne in diesem Winter nicht im Rodel-Terminkalender. Doch in der Saison 2011/12 ist ein Weltcup geplant - als Generalprobe für die WM 2013.

So wie die Bahn vor dem Unfall gedacht war, wird sie dann auf keinen Fall stehen. Als „optimale Lösung“ für eine Tempo-Reduzierung sieht Fendt einen Umbau an. „Das würde eine nicht billige Maßnahme sein“, sagt er. „Wenn das bis zum nächsten Weltcup nicht umsetzbar ist, werden wir wahrscheinlich von den Olympia-Starthöhen fahren.“ Damals wurden als Reaktion auf den Unfall alle Rennen von niedrigeren Startluken aus absolviert. Doch auch dann seien Veränderungen nötig: So müsse der Einfahrtwinkel, der beim Junioren-Start einen Slalom- Schwung verlangt, verändert werden. „Darauf drängen wir ganz scharf.“

Ein Dreivierteljahr nach dem Todessturz ist vieles im Fluss. Weitere Änderungen sind denkbar: Etwa dass in die Homologierung, also die Abnahme neuer Bahnen, auch schwächere Athleten einbezogen werden. Doch ein letztes Risiko bleibt bestehen. „Rodeln ist ein harter Rennsport. Unfälle kann man nie ausschließen. Da müsste man jeden Rennsport einstellen“, sagt Fendt. „Aber man kann alles dafür tun, um Unfälle möglichst unmöglich zu machen.“

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