Heimvorteil bei Biathlon-WM birgt auch Risiken

Ruhpolding (dpa) - Umschwärmt und umjubelt von Zehntausenden Fans, präsent in Funk und Fernsehen, auf den Titelseiten der Gazetten: Für die deutschen Biathleten könnte die Heim-WM in Ruhpolding ein unvergessliches Erlebnis werden.

Viele beschwören den Heimvorteil als Extra-Bonus. Auch Superstar Magdalena Neuner hofft auf ein paar Prozentpunkte mehr an Leistung durch die Unterstützung der Fans. „Viele sehen es als Vorteil, viele als Nachteil. Ich habe überhaupt keine Angst, nur Freude“, sagt die 25-Jährige gewohnt optimistisch und selbstbewusst.

Doch der oft beschriebene Heimvorteil kann auch zum Fluch werden. Der Druck wird angesichts der manchmal ausufernden Erwartungshaltung von außen, aber auch innen zu groß. Der Körper will, kann aber nicht. Die Psyche lähmt den Athleten.

Das mussten die deutschen Fußballerinnen bei der Heim-WM im vergangenen Jahr miterleben, als sie im Viertelfinale ausschieden. Auch Skistar Maria Höfl-Riesch konnte im vergangenen Jahr in Garmisch-Partenkirchen kein WM-Gold holen.

Gibt es den Heimvorteil oder ist er doch nur Einbildung? „Es gibt da kein klares Ja oder Nein. Jeder Athlet nimmt den Druck anders wahr. Das eigene Publikum, die Freunde und die Familie an der Strecke zu haben kann unglaublich anspornen“, sagte Diplom-Psychologin Tanja Damaske der Nachrichtenagentur dpa. Die Speerwurf-Europameisterin von 1998 ergänzt: „Ebenso gibt es aber auch Sportler, die an dem immensen Erwartungsdruck, der von außen an sie herangetragen wird, scheitern - und nicht zuletzt an dem, den sie sich selbst machen.“

Bei den Biathleten besteht die Gefahr darin, angetrieben von den Fans, zu „überziehen“. Das heißt, zu hohes Tempo in der Loipe anzuschlagen und ein zu hohes Risiko am Schießstand einzugehen. Doch die Deutschen nehmen - zumindest nach außen - den Druck als etwas Positives an. „Der Druck ist enorm. Aber ein richtiger Sportler braucht den Druck“, sagt Sprint-Weltmeister Arnd Peiffer.

„Für die Öffentlichkeit zählen eben nur Medaillen“, meint Männer-Coach Fritz Fischer. „Aber als Weltklasse-Athlet musst du mit diesem Druck umgehen können. Die Athleten müssen an sich glauben und darüber reden wir auch im Training“, sagt Fischer, der in Ruhpolding 1985 WM-Bronze mit der Staffel gewann.

Besonders im Fokus wird Magdalena Neuner stehen. Nicht nur, weil es ihre letzten Rennen auf heimischem Boden sind. Die zweimalige Olympiasiegerin hatte angekündigt, in allen sechs Wettbewerben eine Medaille holen zu wollen. „Wenn Magdalena sagt, sie will in allen Wettbewerben eine Medaille holen, dann glaube ich ihr das. Sie hat vor der Saison ja schon mal so eine Ansage gemacht, als sie gesagt hat, das sei ihr letztes Jahr und sie wolle in diesem so viele Rennen wie möglich gewinnen. Und damit war sie ja erfolgreich. Es ist einfach ihre Art, mit dem Druck umzugehen“, meint Tanja Damaske.

Top oder Flop? Die Diplom-Psychologin sieht die Deutschen in einer guten Position. „Sie hatten genügend Zeit, mit ihren Betreuern verschiedene Situationen gemeinsam gedanklich durchzugehen. Sie werden nicht überrascht sein, wenn der Tag X kommt - egal wie der dann aussieht“, sagt die frühere Spitzensportlerin.

Adrenalinschübe und lange Partynächte - wie es sich im Optimalfall anfühlt, erlebten 2007 die deutschen Handballer. „Wir werden überall eingeladen, wir sind momentan die Helden der Nation - das ist natürlich ein Traum“, sagte damals der mittlerweile zurückgetretene Nationalspieler Pascal Hens. Vor fünf Jahren schaffte er mit seinem Team den WM-Gold-Coup und sogar den Weg in die Kinosäle.

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