Greis wieder da: Hat sich angefühlt wie ein Burnout

Ruhpolding (dpa) - Überall in Ruhpolding ist Michael Greis auf den WM-Plakaten abgebildet. Auf Schritt und Tritt ist sich der Turin-Olympiasieger in den vergangenen Wochen selbst begegnet. Doch ob der 35-Jährige bei den Titelkämpfen in seiner Wahl-Heimat auch wirklich dabei ist, war lange ungewiss.

„Ich habe versucht, mit dem Verstand dranzubleiben, aber mein Gefühl hat gesagt: Du schaffst das nicht, du schaffst das nicht“, erzählte Greis. „Warum“, habe er sich immer wieder gefragt, „tue ich mir das an?“

Michael Greis saß auf dem gelb-orangenen Podium im Ruhpoldinger Pressezentrum. „Irgendwann hat man keine Lust mehr, da ist dann die WM als Zuschauer schöner, als wenn man hinterher eiert“, meinte er. „Doch jetzt ist es anders gekommen, das freut mich ungemein.“ Der Schweiß tropfte von seiner Stirn. Er hatte sich trotzdem die dicke Jacke übergezogen. „Ich muss mich die nächsten Tage noch schonen. Man hört es an der Stimme, dass ich noch eine leichte Erkältung habe. Aber ich denke, das kriege ich hin.“

Für die Mixed-Staffel am Donnerstag ist Greis nicht nominiert. Früher wäre eine deutsche Biathlon-Staffel ohne ihn undenkbar gewesen. Nun ist er froh, überhaupt bei der WM dabei sein zu dürfen. Auch wenn einer wie Greis das so nicht formulieren würde. Er sagt lieber: „Ich möchte mich da gar nicht festlegen auf irgendwas. Die anderen sind ja auch keine Nasenbohrer.“ Wichtig für ihn sei, dass „ich, wenn es schwierig wird bei den Streckenverhältnissen, angreifen kann. Was dabei herauskommt, das wird man sehen.“

Ob Greis wieder mithalten kann, wird der Sprint-Wettkampf über die zehn Kilometer zeigen. Er wähnt sich gerüstet. „Auf alle Fälle hat das Training wieder angeschlagen. Warum auch immer. Es hat wieder Spaß gemacht. Ich weiß nicht, warum und wieso. Der Spaß war komplett weg. Ich war frustriert, ja deprimiert.“

Als Sportler, gab er zu, sei „es die schwierigste Phase seiner Karriere gewesen. „Aber nicht, weil die Heim-WM ist. Sondern weil ich nicht leistungsfähig war und nicht wusste, warum und wieso.“ Nach seiner Fußoperation im August kam Greis zwar verhältnismäßig schnell wieder auf die Beine, doch dann spielte der Körper nicht mit. „So ein Eingriff macht relativ viel aus für das Immunsystem.“

Nach seiner Auszeit zum Jahresbeginn kehrte er beim Weltcup in Antholz im Januar zurück. Und lief hinterher. „Das war ein Horrorrennen für mich. Ich war so träge und so kaputt. Es war wie eine Folter“, gestand er. Danach war Greis abgetaucht. „Der Akku war leer, ich war einfach platt.“ Über seinen Gesundheitszustand tappte er im Dunklen. „Es hat sich angefühlt zwischen Pfeifferschem Drüsenfieber und Burnout, so nach dem Motto. Schulmedizinisch kann man da gar nichts nachweisen.“

Sein WM-Ticket buchte Greis kurz vor der WM im Trainingslager auch ohne Norm. „Ich bin nach Ridnaun gefahren, mit der Absicht, dass ich mich zeige. Ich habe mir den Platz erkämpfen müssen“, sagte er. „Aber ich habe gemerkt, dass ich zurechtkomme mit dem Ganzen.“

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