Wer trägt nach Nowitzki die Fahnen?

Wer bei der Eröffnungsfeier die deutschen Athleten anführen darf, wird heute entschieden. Spekulationen gibt es reichlich.

London. Der deutsche Fahnenträger bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele am Freitag wird eine Nummer kleiner ausfallen. An Basketball-Superstar Dirk Nowitzki, der 2008 in Peking das deutsche Team anführte, wird in London so leicht keiner der Kandidaten herankommen — was Glanz und Größe angeht. Anwärterin Natascha Keller ist 43 Zentimeter kleiner als der NBA-Riese und längst nicht so populär wie er. Sie kann dafür immerhin den fünften Olympia-Start und den Gold-Triumph von 2004 mit der Hockey-Mannschaft als Referenz vorweisen.

„Das wäre so krass“, sagte die 35-jährige Rekordnationalspielern aus der Hockey-Dynastie der Kellers. 1936 spielte Opa Erwin in Berlin auf olympischen Feld, Vater Carsten Keller gewann 1972 Gold, Bruder Andreas 1992, 2008 war Bruder Florian in Peking dabei und wurde Olympiasieger. „Es ist für mich kaum vorstellbar, wie es sich anfühlt, mit der Fahne vorneweg zu marschieren, und die gesamte Mannschaft läuft hinterher“, sagte Keller. Das Geheimnis, ob sie darf oder nicht, lüftet der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) heute.

Abgesehen von ihren Olympia-Meriten kann sie noch ein Plus in die Waagschale werfen: Sie ist eine Frau. Zuletzt war 2000 der Kanutin Birgit Fischer die Ehre zu Teil geworden. Insgesamt fiel die Wahl seit 1908 erst auf vier Frauen: Vor Fischer waren es Ingrid Engel-Krämer (Wasserspringen/1964), Karin Balzer (Leichtathletik/1968) und Kristina Richter (Handball/1980).

Gehandelt wird auch Tischtennis-Ass Timo Boll als Kandidat. „Wenn man mich zum Fahnenträger bestimmt, würde ich mich darüber freuen“, sagte der 31-Jährige, der zum vierten Mal bei Olympia ist und 2008 Silber gewann. In London muss er das erste Einzel erst am Montag bestreiten und hätte genügend Zeit, sich von den Strapazen zu erholen. Gewichtheber-Olympiasieger Matthias Steiner hätte die Kraft dafür, kommt aber nicht infrage. Zusammen mit seinen Hantel-Kollegen bereitet er sich in einem Trainingslager in Österreich auf die Spiele vor und reist erst am 1. August an.

Während bei Steiner eine Umbuchung nicht vorgesehen ist, würde der Pistolenschütze Ralf Schumann (50) gern früher anreisen, um bei seiner siebten Olympia-Teilnahme vorneweg zu marschieren. „Wir unterstützen Ralf mit allen Mitteln“, sagte Heiner Gabelmann, Sportdirektor des Deutschen Schützenbundes, über den dreimaligen Olympiasieger.

„Wenn es nur fünf Kandidaten für die Fahnenträger-Rolle gäbe, wäre es einfacher“, stöhnte Chef de Mission Michael Vesper. „Das ist eine der schwersten Entscheidungen.“ Die Wahl wird der engste Führungszirkel mit DOSB-Präsident Thomas Bach, Leistungssportdirektor Bernhard Schwank und Vesper treffen. „Wir werden uns nicht unter Druck setzen lassen“, sagte Vesper angesichts der vielen Spekulationen. Dass einige Athleten schon einen Tag nach der Eröffnungsfeier zum Wettkampf antreten müssen, sieht er angesichts des kurzen Fußweges vom olympischen Dorf zum Olympiastadion nicht als Ausschlusskriterium: „Jeder Sportler könnte die Fahne tragen und den Weg über die blaue Brücke nehmen.“

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