Weiße Landschaft, weiße Weste?
Bislang gibt es keinen Fall in Kanada. Proben werden eingefroren.
Düsseldorf. Olga Medzwedzewa ist besser bekannt als Olga Pylewa. Unter ihrem Mädchennamen war die russische Biathletin bei den Olympischen Winterspielen 2006 in Turin des Dopings mit dem Stimulanzmittel Carphedon überführt worden. Medzwedzewa war einer von sieben Dopingfällen bei den 20. Winterspielen. Vier Jahre späte, bei den 21. Winterspielen in Vancouver, gibt es bis dato keinen aufgedeckten Dopingfall. Und Olga Medzwedzewa gewann vor drei Tagen in Whistler Staffel-Gold mit dem russischen Biathlon-Quartett.
Erleben wir tatsächlich saubere Spiele? Der größte Teil der 2000 Kontrollen bei den Spielen ist absolviert, bislang ist die Weste zur Freude des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) sauber. "Die negativen Tests sind ein gutes Zeichen, es gibt offenbar viele saubere Athleten", sagte IOC-Sprecher Mark Adams: "Aber am Ende der Spiele ziehen wir Bilanz."
Wahrscheinlich sollten sich die Verantwortlichen mehr Zeit lassen: Die zahlenmäßig um 70 Prozent gegenüber 2006 gesteigerten Dopingproben werden nach Vancouver für acht Jahre eingefroren, um sie mit neuen Nachweismethoden zu einem späteren Zeitpunkt erneut untersuchen zu können. "Mein abschließendes Urteil über die Spiele von Vancouver werde ich erst 2018 fällen", sagt deshalb IOC-Chef Jacques Rogge, der vor den Spielen "etwa fünf Dopingfälle in Vancouver" prognostiziert hatte. Zum Vergleich: Nachtests nach den Sommerspielen in Peking 2008 hatten sechs weitere Dopingfälle aufgedeckt.
Dass die Nachproben einen Abschreckungseffekt erzielen, ist augenscheinlich. Michael Groß, dreimaliger Schwimm-Olympiasieger und 2007 Mitglied der Kommission gegen Doping im Radsport, hegt zwar Zweifel an der weißen Weste der Spiele von Vancouver, sagt aber auch: "Ich bin schon ein bisschen überrascht, dass es bisher keinen Dopingfall gibt. Offensichtlich werden Doping-Amateure vom Kontrollsystem abgeschreckt. Man muss schon sehr professionell dopen, um dem Kontrollapparat 100 Prozent zu entgehen." Das hieße im Umkehrschluss: Eine bestimmte Zahl von Sportlern kann diese Professionalität nicht aufbringen. "Das ist ein Erfolg", sagt Groß. Er meint: Immerhin.
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang der rapide Absturz der russischen Sportnation. Sieht man von Eiskunstläufer Jewgeni Pluschenko und der Biathlon-Staffel ab, sind die Russen abgetaucht, können an alte Erfolge vier Jahre vor den Winterspielen in Sotschi nicht anknüpfen. Nach einer Serie von elf russischen Dopingfällen im Biathlon und Ski-Langlauf binnen zwölf Monaten in 2009 könnte die Botschaft tatsächlich angekommen sein, den Kampf gegen die Leistungsmanipulation auch in Russland glaubhaft aufnehmen zu müssen.