Lisicki besiegt Williams - „es war unglaublich“

London (dpa) - Sabine Lisicki fiel vornüber auf den Heiligen Rasen, warf eine Kusshand ins Publikum und heulte einfach drauflos. Auf der Tribüne herzte Bundestrainerin Barbara Rittner Lisickis Mama.

Die Zuschauer auf der bedeutendsten Tennisbühne der Welt saßen nach dem sensationellen Schauspiel in drei Akten längst nicht mehr. „Das war der größte Sieg meiner Karriere“, sagte Lisicki - und selbst Steffi Graf schickte Glückwünsche aus der Ferne.

„Gratulation an Sabine für den tollen Sieg!“, schrieb die siebenmalige Wimbledon-Siegerin via Facebook. Am Dienstag ist der erste Triumph der Gräfin im All England Lawn Tennis Club 25 Jahre her - am Super-Montag schrieb auch Lisicki ein kleines Stückchen Tennisgeschichte. Die 23 Jahre alte Berlinerin bezwang die Weltranglisten-Erste, Titelverteidigerin, fünfmalige Wimbledon-Siegerin und Top-Favoritin Serena Williams nach 2:02 Stunden mit 6:2, 1:6, 6:4. Nach 0:3 und 3:4/0:40 im dritten Satz.

„Ich zittere immer noch“, sagte Lisicki in ihrem ersten Interview. Dann erstickten die Tränen für einen kurzen Moment die Stimme. „Es war unglaublich. Serena hat so stark gespielt, sie hatte tolle Schläge. Ich habe alles gegeben und um jeden Punkt gekämpft.“

Belohnung für die Meisterleistung gegen die zuletzt alles beherrschende Williams ist nun das vierte Wimbledon-Viertelfinale nach 2009, 2011 und 2012. Und in diesem verrückten Jahr scheint noch sehr viel mehr möglich. Lisickis nächste Gegnerin Kaia Kanepi hat zwar in der zweiten Runde die Vorjahres-Halbfinalistin Angelique Kerber besiegt, doch die Berlinerin ist als Nummer 24 der Welt 22 Plätze besser notiert als ihre nächste Gegnerin aus Estland.

„Unglaublich, Olle!!! Glüüüückwuuuunsch! Hol dir das Ding!“, twitterte prompt Fed-Cup-Kollegin Andrea Petkovic. Basketball-Superstar Dirk Nowitzki schrieb: „Wahnsinn. Glückwunsch.“ Auch Bundestrainerin Barbara Rittner zollte Lisicki höchsten Respekt.
„Es war ein Wahnsinns-Match auf einem unfassbaren Niveau mit einem unglaublichen Ende“, sagte die Fed-Cup-Chefin. „Vor allem, dass sie nach dem 0:3 im dritten Satz noch zurückgekommen ist, verdient Hochachtung.“

Nach der Demonstration der Stärke gegen die Beste der Welt braucht sich Lisicki vor keiner Kontrahentin mehr zu fürchten. „Darüber denke ich jetzt noch nicht nach“, sagte sie nach ihrem Coup auf dem Centre Court, als sie auf das Match gegen Kanepi angesprochen wurde. Es klang wie eine Warnung an die Konkurrenz, als sie hinterherschob: „Das Turnier ist noch nicht vorbei.“

Für Williams schon - obwohl die 31-Jährige zuletzt 34 Siege nacheinander feierte, die French Open gewann und seit dem überraschenden Aus von Maria Scharapowa für manche schon als logische Siegerin vorab gekürt wurde. Bis zu diesem Montag.

Bei jeder Gelegenheit hatte Lisicki in den vergangenen Tagen betont, wie sehr sie die Atmosphäre im All England Lawn Tennis Club liebe und wie gern sie diesen mythenumwobenen Centre Court betrete. So war der Applaus auch ein bisschen lauter und der Empfang ein bisschen herzlicher, als die blonde Berlinerin am Montagnachmittag vor dem ersten Ballwechsel auf ihre Seite des Netzes schritt.

Diesen einzigartigen Tag, an dem nur bei diesem der vier großen Turniere alle Achtelfinal-Partien angesetzt werden, nennen sie in England gerne „Manic Monday“. Normalerweise spielen dann die Herren Federer und Nadal, die Damen Scharapowa und Asarenka. 2013 aber durfte Lisicki im ersten Match des Tages auf die bedeutungsvollste Tennisbühne der Welt - und schuf sich ihren eigenen „Magic Monday“.

Alleine die ersten vier Spiele des ersten Durchgangs dauerten 23 Minuten - da hatte Williams zuletzt schon ganze Sätze für sich entschieden. Lisicki entledigte sich ihres Langarm-Shirts, Williams bändigte ihre anfangs noch etwas flatternde Mähne mit einem Knoten. Spätestens zu diesem Zeitpunkt demonstrierten beide Protagonistinnen in der nicht ganz voll besetzten Tennis-Arena, dass sie sich in diesem Duell nicht einen einzigen Punkt schenken würden.

Als eine Rückhand von Williams im Aus landete, schaffte Lisicki das Break zum 4:2. Immer wieder blickte Williams auf die andere Seite des Platzes und schien sich zu sagen: „Du kleine freche Berliner Göre, was erlaubst du dir da eigentlich?“ Nach dem Match sagte Williams: „Gegen die Großen auf den großen Plätzen spielt sie am besten. Es war so ein Moment. Auf Gras spielt sie einfach gut.“

Nachdem die French-Open-Siegerin nach 27 Minuten Durchgang zwei mit 6:1 für sich entschieden hatte und vor allem in Satz drei 3:0 in Führung ging, schien alles gelaufen gegen die junge Deutsche. Doch es ging hin und her, die Fans hielt es nicht mehr auf den Sitzen. „unglaublich!!! Danke daß ich dabei sein durfte“, twitterte Rittner.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort