„Auf die Platte gebracht“: Siegemund will mehr

Melbourne (dpa) - Eigentlich war die Karriere von Laura Siegemund schon vorbei. „2012 habe ich gesagt, ich hänge die Sachen an den Nagel“, erinnerte sich die 27 Jahre alte Tennisspielerin aus Metzingen in Melbourne.

„Auf die Platte gebracht“: Siegemund will mehr
Foto: dpa

Neunmal hatte sie im Jahr zuvor bei WTA-Turnieren versucht, sich für das Hauptfeld zu qualifizieren. Neunmal war die Schwäbin gescheitert. „Da habe ich aufgehört zu spielen“, sagte Siegemund. Stattdessen widmete sie sich dem Bachelor-Studium in Psychologie an der Fernuniversität Hagen, machte zudem die A-Trainer-Lizenz mit der Auszeichnung der Jahrgangsbesten. Die große Tennis-Welt war ganz weit weg.

Doch so ganz konnte sie nicht vom Tennis lassen, „irgendwie bin ich dann wieder reingestolpert“. Zum Glück, denn sonst hätten die Australian Open nicht ihren bislang schönsten Jubel des diesjährigen Turniers erlebt. Wie ein Flummi hüpfte Siegemund nach dem 3:6, 7:6 (7:5), 6:4 gegen die frühere Weltranglisten-Erste Jelena Jankovic aus Serbien über den hellblauen Platz in der Hisense Arena.

„Dieser Sieg bedeutet mir die Welt“, sagte sie danach im Interview auf dem Court des zweitgrößten Stadions der Australian Open. Überglücklich erfüllte sie jeden Autogrammwunsch, unterschrieb erstmals in ihrem Leben auf dem Teleskop der Fernsehkamera. „Ich weiß gar nicht, wie das geht“, sagte Siegemund kichernd.

Nach all den Rückschlägen und Zweifeln genießt sie es, auf der Tennis-Tour angekommen zu sein. Endlich ist sie da, wo sie die Experten eigentlich schon lange erwartet hatten. 2000 gewann sie in Florida mit zwölf Jahren den prestigeträchtigen Orange Bowl der Juniorinnen. In Deutschland wurde sie schon als die neue Steffi Graf gefeiert, schließlich hatte die „Gräfin“ die als Nachwuchs-Weltmeisterschaft geltende Veranstaltung ebenfalls mal gewonnen.

Mit ihrem druckvollen Spiel und den harten Aufschlägen schien die kleine Laura vor einer großen Zukunft zu stehen - doch daraus wurde nichts. Wie so viele junge Sportler vor ihr, denen eine große Karriere prophezeit wurde, zerbrach auch Siegemund am Druck und den riesigen Erwartungen. Statt so richtig durchzustarten tingelte sie nur über die kleine ITF-Tour, flog bei WTA-Events immer wieder in der Qualifikation raus.

Erst als sie sich entschlossen hatte, alles aufzugeben und zugleich noch von einem Bänderriss gestoppt wurde, kehrten bei ihr die Liebe zum Tennis, Gelassenheit und Zufriedenheit zurück. Es folgten erste Titel auf der ITF-Tour und 2015 in Wimbledon endlich die erste Qualifikation für das Hauptfeld eines Grand-Slam-Turniers.

„Damals wollte ich es einfach genießen“, sagte Siegemund, die in der ersten Runde verlor. Nach Melbourne, wo sie erstmals direkt im Hauptfeld steht, ist sie aber schon mit anderen Erwartungen gekommen. „Ich weiß jetzt, dass ich dazugehöre. Ich will mein Spiel durchbringen“, sagte sie.

Auf dem Platz ist sie nun so, wie in den Presserunden danach. Voller Energie, immer gerade heraus. „Ich habe es auf die Platte gebracht“, sagte sie über ihren geglückten Matchplan. „Jetzt will ich die Welle weiterreiten.“ In der dritten Runde wartet in Annika Beck auch noch eine gute Freundin. Die Party Down Under kann für Laura Siegemund also einfach weitergehen.

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