Sport 2010/ Fechten: „Ich fühle mich neu motiviert“

Olympiasieger Benjamin Kleibrink meldet sich mit neuen Zielen zurück. In Leipzig will der Krefelder Europameister werden.

Düsseldorf. Olympiasieger Benjamin Kleibrink verspürt nach einem schwächeren Zwischenjahr 2009 rechtzeitig zu den Europameisterschaften Mitte Juli in Leipzig wieder neue Kräfte und alten Erfolgshunger. Die Frage, ob Britta Heidemann den China-Erfolg von 2008 besser für sich genutzt habe als er, hört Benjamin Kleibrink nicht gerne.

Vielleicht kommt die Antwort auch deshalb so blitzartig wie eine seiner Zack-Zack-Attacken auf der Fechtbahn: "Soll sie es doch nutzen. Ja, ich gebe zu, dass ich nach Olympia andere Prioritäten gesetzt habe. Aber man kann nicht in jeder Saison Medaillen pflücken."

Binnen 25 sagenhafter Minuten hatten Heidemann und Kleibrink am 13. August bei den Sommerspielen in Peking mit atemberaubender Fecht-Perfektion Gold geholt. Hernach entwickelte sich die Degendame, langhaarig, hübsch, verbal versiert, zu einer Vorzeige-Frau des deutschen Sports und schaffte es bis zu Thomas Gottschalk und "Wetten-dass", wo normalerweise bloß die Populärsten gastieren.

Um den Florettherrn, individuell, knorrig, knarzig, wurde es arg ruhig. "Auch wenn das jetzt nicht alle Leute verstehen werden", blickt der 24-Jährige auf die nach-olympischen Monate zurück: "Ich bin mit dem Passierten einigermaßen zufrieden. Und was andere Leute denken, ist für mich sowieso zweitrangig."

Jede Menge Tadel hatte er einstecken müssen, als er seinen Heimatverein OFC Bonn verließ, den er hinterher sogar verklagte, und zum zahlungskräftigeren und daher von etlichen Neidern begleiteten FCTauberbischofsheim wechselte. "So läuft es im Sport", entgegnet Kleibrink den Kritikern: "Das Ungewohnte daran ist nur, dass es auch einmal ein Fechter so macht."

In der tauberfränkischen Fechterhochburg ist der Kölner Student des Wirtschaftsrechts zwar noch nicht heimisch geworden, die vom Bürgermeister zur Begrüßung überreichten Jahresfreikarten für Freibad und Städtische Mediothek nutzte er allein deshalb schon nicht, weil er bloß "acht- bis zehnmal" vor Ort weilte: "Aber ich fühle mich im Vergleich zu früher zunehmend wohler." Geblieben ist der Groll auf die alte sportliche und im Prinzip nach wie vor wahre Heimat.

Den Eintrag ins Goldene Buch der Stadt Bonn habe er verschlafen, hatte es geheißen, die Türen seien nach der Bitte um eine Entschuldigung geflogen, Prämien entgegen der Vereinbarungen nicht bezahlt worden. "Ach, was können die Außenstehenden schon darüber wissen", winkt Benjamin Kleibrink fast unwirsch ab: "Beim Goldenen Buch war ich krank, weswegen ich es vergessen, aber mich schon am Tag später dafür entschuldigt habe. Und den Rest lassen wir mal besser außen vor."

Besser für die Bonner, wie er klar betont: "Dass ich gegen den OFC vorgegangen bin, war völlig in Ordnung, damit konnte und kann ich gut leben. Das war damals vom Verein aus unter der Gürtellinie, das hatte der OFC so verdient."

Kraft, das steht fest, hat ihn das mit einem Vergleich geendete juristische Scharmützel in Tateinheit mit ein paar Uni-Prüfungen gekostet, Kraft, die dem Fechter Kleibrink abhanden kam.

Das Mannschafts-Silber bei der Weltmeisterschaft in Antalya, wozu er nicht die meisten Punkte beisteuerte, wog zwar angenehmer als gar keine Plakette, aber zu wenig für einen Fechter der Klasse Kleibrinks. "Inzwischen bin ich wieder gut und stark im Training", sagt Kleibrink zu Beginn des neuen Jahres und formuliert eine neue Kampfansage: "Ich fühle mich wie neu motiviert. Das alte Jahr ist abgehakt, ich greife bei EM und WM an."

Im Gegensatz zur Tradition seiner Disziplin wird in den EM-Planungen diesmal der Trainings-Schwerpunkt liegen: Waren die kontinentalen Titelkämpfe im Fechten sonst eher eine zweitklassig besetzte Bühne und Europameister-Titel von geringerem Stellenwert, wollen die deutschen Fechter ihren Heimvorteil von 16. bis 22. Juli in Leipzig nutzen. "Das wird sicher superschön, Leipzig ist nicht nur für mich gleichbedeutend mit einer Weltmeisterschaft."

Die WM wiederum, bei der im Jahre 2005 schon einmal Leipzig Austragungs-Ort war, findet vom 4. bis 13. November als gewohnter Jahres-Höhepunkt im Grand Palais von Paris-Bercy statt, parallel zum Tennisturnier von Bercy: "Und darauf freue ich mich natürlich auch. Denn Weltmeister war ich noch nie." Der abhanden geglaubte Kampfgeist ist offenbar rechtzeitig in den Olympiasieger zurückgekehrt.

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