Sledge-Eishockeyteam ist Russlands Paralympics-Stolz

Sotschi (dpa) - Um kurz vor fünf kocht die Stimmung in Sotschis proppenvoller Schaiba-Arena erstmals hoch. Auf den Rängen zücken die Russen ihre weiß-blau-roten Nationalfahnen und recken sie schwungvoll in die Luft, außer purem Gekreische ist weit und breit für Sekunden nichts mehr zu hören.

Sledge-Eishockeyteam ist Russlands Paralympics-Stolz
Foto: dpa

Der Führungstreffer im paralympischen Sledge-Eishockeyturnier gegen die USA versetzt rund 6000 Fans erstmals in Ekstase. Der Jubel ist nicht einmal dann gewaltiger, als der russische 2:1 (1:0, 1:0, 0:1)-Sieg im letzten Vorrundenspiel wenig später feststeht - und damit auch das Ticket ins Halbfinale gelöst ist. Dort trifft der Gastgeber am Donnerstag auf Norwegen.

Das russische Sledgehockey-Team muss bei diesen Heim-Paralympics auch ein klein bisschen jenen Schaden korrigieren, den die Eishockeystars bei Olympia vor wenigen Wochen angerichtet haben. NHL-Profi Alexander Owetschkin & Co. waren schon im Viertelfinale des Heim-Spektakels an Finnland gescheitert und hatten die wohl wichtigste Goldmedaille der eishockeyverrückten Nation früh verschenkt. Es hagelte Pfiffe und Buhrufe, auch Trainer Sinetula Biljaletdinow musste wenig später weichen.

Jetzt versucht sich ein ganzes Eishockeyland an seiner paralympischen Sledgehockey-Mannschaft zumindest wieder ein bisschen aufzurichten. Unweit vom Bolschoi-Dom, in dem die russischen Millionen-Cracks noch im Februar für lähmendes Entsetzen gesorgt hatten, sind von Anfang an alle auf Wiedergutmachung gepolt: Die emotionalen Fans, die endlich mal wieder so richtig jubeln wollen, und auch die russischen Schlitten-Paralympioniken, obwohl sie die Olympia-Schmach doch selber nur am Fernseher mitverfolgt hatten.

Das Ziel: Finaleinzug am Samstag - und dann natürlich am besten Gold gewinnen. „Wir müssen völlig über uns hinauswachsen. Wir müssen herausragende Dinge schaffen“, sagt Trainer Sergej Samojlow. Stürmer Dimitri Lisow urteilt: „Wir müssen es schaffen. Wir können es schaffen. Wir brauchen diesen Erfolg. Die Fans auf den Tribünen geben uns all ihre Energie. Ich weiß nicht, wer uns stoppen kann.“

Die Amerikaner können es jedenfalls momentan nicht. Auch, weil die russischen Spieler in ihren Schlitten derartig angestachelt auftreten, als könnten sie selbst steinige Mauern bezwingen. Keiner steckt auch nur einen Millimeter zurück, Checks und grenzwertige Karambolagen gehören beim Schlitten-Eishockey so wie bei den Stars der großen Eishockey-Ligen zum Standardrepertoire. Manchmal macht es den Eindruck, als würde - mal abgesehen von den beiden Torhütern - eine Horde von schwer erziehbaren Rüpeln aufeinander eindreschen.

Der Sieg über den Sport-Intimfeind USA ist nicht nur wichtig für die russische Sportseele, sondern auch nötig: Gegen Südkorea hatte es zuvor noch eine 2:3-Pleite gegeben, jetzt beenden die Russen ihre Vorrundengruppe doch noch als Erste. „Diese große Unterstützung macht es nicht einfacher. Vielleicht macht sie es sogar schwerer“, sagt Torwart Michail Iwanow. „Die Emotionen sind gewaltig. Es ist unser erstes Turnier dieser Art. Wir müssen uns daran gewöhnen.“

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