#ParisAttacks Schwimmstar Biedermann nach Terror: Sport mit „Vorreiterrolle“

Wuppertal (dpa). Auch Freistil-Weltrekordler Paul Biedermann macht sich seine Gedanken über die jüngsten Terrorangriffe und die Rolle des Sports. Im Interview der Nachrichtenagentur dpa äußerte sich der Konzertgänger betroffen und betonte eine mögliche Vorreiterrolle des Sports.

#ParisAttacks: Schwimmstar Biedermann nach Terror: Sport mit „Vorreiterrolle“
Foto: dpa

Nach jetzigem Stand plant der 29-Jährige eine Teilnahme an der Kurzbahn-EM in Netanya/Israel Anfang Dezember. Vor den deutschen Meisterschaften von Donnerstag bis Sonntag in Wuppertal erneuerte der ehemalige Weltmeister seine Einschätzung über die seiner Meinung nach zu geringe Wertschätzung der Athleten.

Wir leben in einer Zeit, in der auch ein Fußballstadion und eine Konzerthalle Ziel eines Terroranschlags waren. Wie nehmen Sie das alles wahr, wie beschäftigt Sie das?

Paul Biedermann: Ich finde das natürlich sehr bedrohlich, empfand ein Länderspiel und ein Konzert als Ort des Terrors sehr schrecklich. Ich bin ja selber Konzertgänger. Das macht mich betroffen. Ich denke, dass der Sport eine Möglichkeit sein kann für den friedlichen Wettstreit aller Nationen. Er kann eine Vorreiterrolle einnehmen, um Verständnis zu schaffen.

Schauen Sie nach den Ereignissen nun mit einem anderen Sicherheitsgefühl auf Olympia in Rio, ihren Karriereabschluss 2016?

Biedermann: Nein, eigentlich nicht. Ich weiß, dass es bei Olympischen Spielen immer sehr hohe Sicherheitsvorkehrungen gibt und dass man dort immer mit einem sehr sicheren Gefühl an den Start gehen konnte.

Wie sehr denken Sie überhaupt an den 7. August 2016. Da werden Sie 30 Jahre alt...

Biedermann:... noch nicht so sehr (lacht), ist ja noch ein Weilchen hin.

An diesem Tag sind Vorläufe und Halbfinals über Ihre Spezialstrecke 200 Meter Freistil und Sie werden einen Großteil ihres Geburtstags im Becken verbringen.

Biedermann: Da haben Sie die Termine mehr im Blick als ich (grinst). Ich blicke erstmal bis zum Jahresende, ich weiß noch gar nichts von den Olympia-Terminen, das ist noch Zukunftsmusik. Erstmal muss ich mich qualifizieren und das Jahr gut rumbringen, damit habe ich genug zu tun.

Die Vorläufe in Rio sind mittags, Halbfinale und Endläufe teils bis nach Mitternacht. Haben Sie sich mit diesem olympischen Schwimm-Zeitplan angefreundet?

Biedermann: Was heißt angefreundet. In Peking 2008 waren die Finals vormittags. Es wird an alles gedacht, dass viele Leute zuschauen; an wen immer nicht gedacht wird, sind die Sportler, die es letztendlich betrifft. Ich muss mich da anpassen. Im Dezember werde ich eine ganze Woche in Halle von 21.45 bis 23.45 Uhr zum größten Teil alleine in der Schwimmhalle trainieren. Einfach weil ich es üben muss und keine andere Wahl habe.

Manche Athleten beklagen mit Blick auf den Zeitplan mangelnde Wertschätzung. Ist die Wertschätzung gegenüber den Sportlern gewachsen oder gesunken?

Biedermann: Das ist ja nichts Besonderes, dass Funktionäre beispielsweise die besten Hotels bekommen, nahe am Wettkampfort und die Athleten die weiteren Strecken haben. Das ist schon immer so gewesen. Die späten Wettkampfzeiten haben damit zu tun, dass sehr viel Geld auf den Tisch gelegt wird, um das zu übertragen. Danach müssen wir uns richten. Wir lassen uns das einfach gefallen. Bei Einzelsportarten können wir da nicht viel ausrichten. Jetzt müssen wir da durch und uns anpassen.

Bei Olympia waren sie zweimal Fünfter und einmal Vierter. Wäre die Karriere des Weltrekordlers und Weltmeisters Paul Biedermann ohne Olympia-Medaille unvollendet?

Biedermann: Das weiß ich nicht. Es ist natürlich mein Ziel, so gut wie möglich dort zu schwimmen. Natürlich trainiere ich auch, um nicht noch einmal Fünfter zu werden. Ich möchte einfach mein Allerbestes geben und sehen, was dabei herumkommt. Ich glaube nicht, dass die Karriere dann unvollständig ist. Ich hatte sehr viel Glück und habe sehr viel erlebt durch meinen Sport. Alles was jetzt noch kommt, möchte ich mir dazu verdienen. Am Ende kann ich sagen, dass ich doch eine ganze Menge in meiner sportlichen Karriere erreicht habe.

Was werden Sie nach ihrem Karriereende im August 2016 machen, wofür als Leistungssportler zu wenig Zeit war?

Biedermann: Konzerte besuchen, in die Kneipe gehen (grinst). Ich werde natürlich auch Sport machen, ich muss etwa zwei Jahre abtrainieren, werde also noch öfter in der Schwimmhalle zu sehen sein. Ich werde einfach versuchen, mich an das Leben ohne Leistungssport zu gewöhnen. Beruflich habe ich ein Jobangebot in Halle. Außerdem plane ich verschiedene Projekte, die noch nicht spruchreif sind. Sukzessive baue ich mir da was auf.

Erst einmal heißt es nun Abschied nehmen von den deutschen Kurzbahn-Meisterschaften, bei denen sie die 200 und 400 Meter Freistil schwimmen werden. Sind diese beiden Strecken ein Fingerzeig für die olympische Langbahn-Saison?

Biedermann: Ich werde wie in der vergangenen Saison bei den 200 Meter Kraul bleiben, daran wird sich nichts mehr ändern. Vielleicht werde ich bei den deutschen Meisterschaften in Mai nochmal die 400 Meter schwimmen. Fest sind die 200 Meter, bei den 400 Meter hängt es davon ab, wie das Training anschlägt und ob man es nochmal macht oder nicht. Die 100 Meter schwimme ich im Mai, um mich für die Staffeln anzubieten, aber 200 ist für mich die Strecke dieses Jahr.

Lassen sie die Kurzbahn-EM in Netanya wegen der Olympia-Vorbereitung aus?

Biedermann: Wenn ich mich qualifiziere, dann möchte ich gerne an den Start gehen. Ich denke, dass dort Weltmeister James Guy oder auch Europameister Velimir Stjepanovic starten. Da hat man dann gute Konkurrenz und warum sollte man sich dort nicht messen?

ZUR PERSON: Paul Biedermann (29) ist seit Jahren einer der wenigen deutschen Weltklasseschwimmer. 2009 gelangen ihm im Wunderanzug Weltrekorde und der Sieg über US-Star Michael Phelps bei der WM in Rom. Es folgten EM-Titel und WM-Medaillen, nur eine Olympia-Medaille fehlt. Gut fünf Jahre war Biedermann mit Olympiasiegerin Britta Steffen liiert. 2016 will er seine sportliche Laufbahn beenden.

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