Miriam Welte: „Gemeldet hat sich gar niemand“

Minsk (dpa) - Bei den Olympischen Spielen in London gewann Bahnradsportlerin Miriam Welte zusammen mit Kristina Vogel im Teamsprint eine von elf deutschen Goldmedaillen. Finanziell ausgezahlt hat sich der Erfolg für die Pfälzerin nicht.

Ein Grund für das mangelnde Sponsoreninteresse sind die Dopingskandale im Straßen-Radsport. „Viele trennen das nicht. Dabei sind wir doch eigentlich ein ganz anderer Sport“, sagt die 26-Jährige in einem Interview der Nachrichtenagentur dpa. Von Mittwoch an geht Welte bei den Bahnrad-Weltmeisterschaften in Minsk an den Start.

Miriam Welte, in London haben Sie mit Kristina Vogel den Olympiasieg im Teamsprint geholt. Mit welchen Erwartungen starten Sie bei der WM in Minsk?

Welte: „Die Erwartungen sind nicht allzu hoch. Wir haben lange nicht die Form von Olympia. Kristina hat vor wenigen Tagen erst ihren Abschluss bei der Bundespolizei gemacht, ich hatte meine Prüfung im Januar bei der Landespolizei. Wir haben vor der WM nicht einmal miteinander trainiert und uns in Minsk erstmals wieder gesehen. In den letzten Monaten blieb nicht viel Zeit für das Training. Es wird schwer. Wir wissen nicht, was die anderen drauf haben. Wenn wir es schaffen, im Teamsprint unter die besten Fünf zu kommen, wäre das ein super Ergebnis. An die Zeiten von der letzten WM oder Olympia komme ich auf gar keinen Fall ran.“

Wie lief die Vorbereitung?

Welte: „Jeder hat für sich trainiert. Das ist ein Problem im Teamsprint. Die UCI hat auch die Regeln für den Wechsel geändert, weil es zu viele Disqualifikationen gab - auch bei Olympia. Das konnten wir in der Vorbereitung nicht trainieren. Wir sind beide unsicher, ob das gutgeht. Aber wir haben nichts zu verlieren. Wir haben vergangenes Jahr alles gewonnen und können entsprechend relaxt an die Sache rangehen.“

Welche Bedeutung hat die WM überhaupt für Sie?

Welte: „Die WM ist schon wichtig, sonst würde ich sie nicht fahren. Wir haben auch überlegt, ob wir sie auslassen. Uns hätte es geholfen, wenn die Wettkämpfe wie in der Vergangenheit Ende März gewesen wären. Vom Stellenwert her ist die WM für mich das wichtigste Ereignis in diesem Jahr. Schließlich werden die Kader nach der WM wieder festgelegt.“

Wie oft denken Sie noch an London zurück?

Welte: „Sehr oft. Ich hatte danach einige Veranstaltungen wie den Ball des Sports oder irgendwelche Ehrungen. Da wird man jedes Mal an London wieder erinnert. Ich schaue mir aber auch häufig die Bilder an, weil es so schön war und die Zeit so unheimlich viel Spaß gemacht hat.“

Was hat sich seitdem im Leben von Miriam Welte verändert?

Welte: „Nicht viel. Ich war ein bisschen mehr unterwegs. Geändert hat sich aber nichts. Ich bin immer noch die gleiche, außer dass ich jetzt meinen Abschluss bei der Polizei in der Tasche habe.“

Wie hat sich der Olympiasieg denn finanziell ausgezahlt?

Welte: „Wir haben eine Prämie in Höhe von 15 000 Euro von der Sporthilfe erhalten, auch vom Landessportbund gab es einen Zuschuss.“

Wie sieht es mit Sponsoren aus?

Welte: „Gemeldet hat sich gar niemand. Ich versuche, ein paar neue Sponsoren zu gewinnen. Aber das ist problematisch, im Radsport erst recht wegen der ganzen Dopingproblematik auf der Straße, was sich auch auf die Bahn widerspiegelt. Viele trennen das nicht. Dabei sind wir doch eigentlich ein ganz anderer Sport. Ich denke, das mangelnde Sponsoreninteresse ist aber allgemein ein Problem für Randsportarten. Ich glaube nicht, dass es die Kanuten oder andere Sportarten leichter haben als wir.“

Sie sprechen das Thema Doping an. Wie wirken sich die Negativschlagzeilen auf Ihre Sportart aus?

Welte: „Es betrifft ja auch Mountainbike oder BMX. Wir werden alle über einen Kamm geschert. Dann heißt es: Radsport, das sind ja die, die dopen. Dabei sind wir auf der Bahn ein anderes Volk, haben mit der Straße eigentlich gar nichts zu tun. Ich kann nicht verstehen, warum auf der Straße gedopt werden muss. Ich finde es einfach nur schade, dass es dort so verbreitet ist. Ich hoffe, dass die neue Generation an jungen Fahrern es schafft, den Radsport sauber zu bekommen.“

Hat Sie das Geständnis von Lance Armstrong noch schockiert?

Welte: „Nein, vermutet hat es ja jeder. Ich finde es einfach nur traurig. Schockierend war nur, in welchem Ausmaß damals gedopt wurde. Das ist schade, weil es ein unglaublich schöner Sport ist.“

Sie sind jetzt Polizeikommissarin. Wie lässt sich das mit dem Sport kombinieren?

Welte: „Die Polizei tut alles dafür, dass man den Sport auf hohem Niveau ausüben kann. Die halten einem komplett den Rücken frei. Das versuche ich zurückzugeben, indem ich auf der Arbeit alles gebe, wenn ich da bin. Aber der Sport steht weiterhin an erster Stelle.“

In London gab es angesichts der Übermacht der Briten eine Zwei-Klassen-Gesellschaft. Was läuft da anders?

Welte: „In England gibt es mindestens vier Indoor-Hallen, und dabei ist das Land kleiner als Deutschland. Das ist ein ganz anderes Netzwerk und auch ausschlaggebend für den Erfolg. Wir waren in der Olympia-Vorbereitung gezwungen, viel zu reisen, um das auszugleichen. Daheim in Kaiserslautern gibt es keine Bahn. Da ist man schon ein wenig neidisch auf die Briten.“

Neidisch sicher auch, weil die WM in Deutschland anders als sonstwo im TV nicht zu sehen ist.

Welte: „Das ist schade, weil wir die dritt- oder vierterfolgreichste Sportart bei Olympia waren und wir immer davon profitiert haben, dass wenigstens die WM im Fernsehen übertragen wurde. Da sieht man, dass der Bahnradsport keinen hohen Stellenwert hat.“

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