Alle Welt rätselt: Wie viel gibt Armstrong preis?

Calpe (dpa) - Die totale Beichte ist eher nicht zu erwarten, ein dosiertes Geständnis oder sogar weiteres Leugnen des Hartgesottenen sind am wahrscheinlichsten. Alle Welt rätselt, wie weit der des Dopings überführte Lance Armstrong in der Talkshow der TV-Ikone Oprah Winfrey am 17. Januar gehen wird.

Der einstige Seriensieger wird sich dort öffentlich zum ersten Mal nach der Aberkennung seiner sieben Tour-de-France-Titel und der verhängten lebenslangen Sperre ausführlich zu Wort melden.

„Juristischen Suizid wird er nicht begehen. Dazu ist er zu berechnend“, vermutet Insider Rolf Aldag, der als geständiger Jan-Ullrich-Helfer lange gegen Armstrong fuhr und jetzt im Management des Tony-Martin-Rennstalls Omega Pharma Quick-Step sitzt. „Die Beweislast durch die USADA-Erkenntnisse ist sicher erdrückend, aber wir wissen ja alle nicht, was, und ob er überhaupt etwas zugibt. Wird es die große Beichte? - keine Ahnung“, meinte Ex-Profi Aldag.

Ort des 90-minütigen Showdowns am Donnerstag ist Armstrongs Villa in Austin/Texas, aus der er zuletzt ein provokantes Foto getwittert hatte. Auf das Sofa gefläzt betrachtet er darauf seine sieben eingerahmten Gelben Trikots an der Wand, die ihm gerade durch die US-Anti-Doping-Agentur USADA aberkannt worden waren. Wenn er diesen Raum zum Interview nutzt und ihn nicht umdekoriert, dürfte die Richtung der Sendung gleich von Beginn an klar sein.

Die milliardenschwere Talk-Lady Winfrey hat Erfahrung mit gestrauchelten Sportlern. Marion Jones weinte sich in unmittelbarem Anschluss an ihre halbjährige Gefängnisstrafe wegen Meineids an ihrer Brust aus und beteuerte unter Tränen ihre Unschuld. Sie habe die von ihrem Coach erhaltenen Doping-Präparate für Nahrungsergänzungsmittel gehalten. „Niemals in Millionen Jahren“ hätte sie daran gedacht, wissentlich zu dopen, erzählte sie Winfrey und der staunenden TV-Gemeinde.

Die große Frage ist, warum macht er es, wenn er es macht. „Vielleicht will er sich ein bisschen besser fühlen. Er ist ein Familienmensch, hat fünf Kinder. Die gehen auch in die Schule, und müssen sich da vielleicht etwas anhören. Besser spät als nie gestehen“, sagte Aldag aus eigener Erfahrung. Er hatte zusammen mit Erik Zabel in einer ARD-Sondersendung 2007 Doping zugegeben.

Auch wenn Armstrongs Aussagen juristische Folgen haben sollten - er hatte in Verhandlungen unter Eid ausgesagt, niemals gedopt zu haben - sei von einem „finanziellen Ruin“ des einstigen Vorzeige-Athleten mit hohem PR-Wert laut Aldag „nicht auszugehen“. Armstrongs Vermögen wird auf rund 125 Millionen Dollar geschätzt. Da könnte er ein paar Schadenersatzklagen, die nach der USADA-Klage bereits angelaufen sind und sich bisher auf über zehn Millionen Dollar belaufen, wegstecken.

Auf eine für ihn sinnvolle Reduzierung seiner lebenslangen Sperre bräuchte er nach einer möglichen Beichte wohl nicht zu hoffen. Das lebenslängliche Fahrverbot seines einstigen Team-Kollegen und USADA-Kronzeugen Tyler Hamilton war nach dessen Geständnis auf acht Jahre verringert worden. In einem vergleichbaren Fall wäre Armstrong 50, wenn er wieder in Triathlon-Wettbewerben antreten könnte.

Anders als sein einstiger Telekom-Teamkollege Jörg Jaksche sieht Aldag keine Gefahr für den Fortbestand des Radsports, sollte Armstrong auspacken und vielleicht sogar seine besonderen Verbindungen zum Weltverband UCI offenlegen. „Die Tour de France 2013 findet auf jeden Fall statt“, erklärte der lange Westfale. Die USADA-Ermittlungsergebnisse legten den Schluss nahe, dass der Weltverband mithalf, positive Doping-Analysen des einstigen Zugpferdes zu vertuschen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort