Olympia-Reform: Durchbruch oder Rohrkrepierer?

IOC-Präsident Thomas Bach will die Spiele offensiv reformieren. Und doch schlägt ihm beim Nachhaltigkeitskongress in Düsseldorf Misstrauen entgegen.

Olympia-Reform: Durchbruch oder Rohrkrepierer?
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Düsseldorf. Am 9. Dezember wird Thomas Bach ein bisschen nervös sein. Dann stimmt das Internationale Olympische Komitee (IOC) über die Agenda 2020 seines Chefs ab. Und wenn man genau hinschaut, steht für Bach viel auf dem Spiel: Weit vorgewagt hat er sich, bejubelt wurde er in der Sportwelt für seine Pläne, Olympia billiger und nachhaltiger zu machen. Aber wenn sie jetzt nicht mitspielen, die Olympier, dann steht Bach am Ende ziemlich dumm da.

Fortschritt, Vernunft und IOC, wird es dann heißen - das passt eben doch nicht zusammen. Beim Nachhaltigkeitskongress im Düsseldorfer Maritim-Hotel, bei dem Bach am Donnerstagabend spricht, wird deutlich, wie groß dieses Misstrauen dem IOC gegenüber ist. Sotschi, Putin, Milliardenbeträge und ihre undurchsichtigen Bewegungen lassen grüßen.

Natürlich steht er am Ende nicht dumm da. Bach ist ein Strippenzieher, ein Mann der Allianzen. So ist er mächtiger IOC-Chef geworden. Einer wie er tritt nicht an, wenn die Niederlage droht. Auch, wenn er hier, in Düsseldorf, damit kokettiert: „Sie können nie sicher sein, welche Gruppendynamik entsteht.“ Einjährige Beratung und Beschluss — das seien eben zwei Paar Schuhe.

Die Grundpfeiler seiner Agenda präsentiert er gerne: Die Ausrichter sollen sich künftig weniger an IOC-Normen anpassen, stattdessen geben sie vor, wie Olympia in ihre Stadt passen kann. Dass man sich nicht falsch versteht: Kompromisse, sagt Bach, gebe es weder für Sportstätten noch für die Athleten, aber: In Sachen Transportwegen und Gestaltung der Sportstätten, da soll es schon flexibler zugehen. Temporäre Bauten, Wiederverwertung von Baustätten, einzelne Sportarten könnten auch lokal verschoben stattfinden — damit nicht alles neu errichtet werden muss.

Schnell wird klar: Bach will sein Wort halten, Olympia zu verändern. Als er vor einem Jahr gewählt wurde, galt der Jurist aus Tauberbischofsheim hierzulande zwar als Hoffnung, aber die Zweifel waren größer: Kann einer, der sich so lange im mächtigen Funktionärskreis der Olympier gehalten hat, zum Reformer werden?

Bach kennt diese Zweifel, und er weiß, dass sie in seinem Heimatland besonders groß sind. Das wird klar, als die Zuhörer und Moderator Wolf-Dieter Poschmann in Düsseldorf zu fragen beginnen. Sind alle Reformen wertlos, wenn die nächsten Ausrichter ausgewählt werden? Bach wird dann ein bisschen ungehalten. „Wir müssen uns von der Vorstellung lösen, dass sich die Welt nach uns richtet“, sagt er ein bisschen aufgeregt.

Es gebe unterschiedliche Vorstellungen von Olympia. „Diese Vielfalt ist auch Bereicherung.“ Jetzt beginnt das Rechtfertigungsprogramm: Sotschi, Putin, Missbrauch der Spiele? „Das IOC hat die Rechte aller Teilnehmer während der Spiele zu kontrollieren. Es ist nicht dazu da, Entscheidungen souveräner Staaten zu korrigieren. Da fehlt das politische Mandat!“

Die Programme aus Berlin und Hamburg für Deutschlands anstehende Olympia-Bewerbungen für 2024 und 2028 scheinen wie gemacht für die Agenda des IOC-Chefs. Hamburg etwa bräuchte nur drei neue Sportstätten: Das Olympiastadion soll nach Olympia auf 20 000 Zuschauer zurückgebaut und zur Leichtathletik-Arena werden, die Schwimmhalle wird ein Erlebnisbad. Und die Olympiahalle ein Kreuzfahrtterminal.

Aber Bach, das sagt er zwischen den Zeilen, hat das alles nicht für Deutschland veranlasst. „Wir müssen nicht den Ehrgeiz von Regionen begrenzen, die Olympia als Katalysator für Infrastrukturprojekte nutzen“, sagt er. Und meint: Auch jene, die viel Geld investieren und komplett neue Städte errichten, werden keine Nachteile haben. Das ist ja die Frage: Ob Bachs Agenda am Ende im Auswahlverfahren überhaupt eine Rolle spielt. Auch daran wird gemessen werden, ob Bachs Programm Durchbruch oder Rohrkrepierer ist.

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