Null Verständnis für den Zirkus Profiboxen

Thomas Bach über die Olympischen Winterspiele in Vancouver, den Fall Claudia Pechstein und die Perspektiven des Sports.

Würzburg. Eine ganz spezielle Aufgabe, das weiß Thomas Bach jetzt schon, wird ihn im neuen Jahr auf Trab halten. Münchens Bewerbung um die Olympischen Winterspiele 2018 ist eine Herzensangelegenheit des deutschen Herrn der Ringe. Der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), in Personalunion Vizepräsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), blickt im Interview mit unserer Zeitung zurück und schaut voraus. Nicht nur auf die Winterspiele 2010 in Vancouver (12. bis 28. Februar).

Wie bewerten Sie das Sport-Jahr 2009?

ThomasBach: Es war ein hervorragendes Jahr, sowohl was den Spitzensport angeht als auch die Sportentwicklung. Im Spitzensport ragen unsere Wintersportler heraus.

Sie sagen ja ohnehin immer, Deutschland sei zu einer Wintersport-Nation geworden.

Bach: Korrekt. Aber 2009 gab es auch die tolle WM in Berlin mit dem Wiedererstarken der deutschen Leichtathletik im Rahmen einer großartigen Atmosphäre.

Gefällt Ihnen ein umstrittener Athlet wie der Jamaikaner Usain Bolt .

Bach: Bolt ist nicht umstritten.

Seine Leistungen werden zumindest diskutiert.

Bach: Erstens kann man doch nicht jeden Spitzenathleten mit dem Schmutz des Generalverdachts bewerfen, das ist nicht hinnehmbar. Zweitens ist es wichtig und gut für die Leichtathletik, dass sie wieder einen echten Weltstar hat. Die Leichtathletik hatte zuletzt einige Präsentationsprobleme, gerade auch in Deutschland.

Geht es nach der Attraktivität beim Publikum, gibt es ohnehin nur noch Fußball, Formel1 und Profiboxen. Alles andere erscheint als Randsportarten.

Bach: Es gibt keine Randsportarten, es gibt nur populäre und weniger populäre Sportarten. Auch dabei muss man unterscheiden, dass viele Sportarten von der Leichtathletik über das Schießen, nehmen Sie was Sie wollen, bis hin zum Fechten bei Olympischen Spielen andere Popularitäts-Dimensionen erreichen, aber eben nur als olympische Sportart. Davon leben diese Disziplinen, deren Problem außerhalb der olympischen Wochen liegt. Der Fußball allerdings hat, das muss man zugeben, seine außerordentliche Dominanz noch ausbauen können, sowohl medial als auch in der breiten Bevölkerung.

Sie sind ja selbst ein Fußball-Anhänger.

Bach: Ich sage das ja ohne Wertung, stelle es nur fest und mahne andere Sportarten, Anstrengungen zu unternehmen, um den Anschluss nicht zu verpassen. Das Profiboxen ist speziell in Deutschland ein Phänomen, im Rest Europas ist es längst nicht in dieser Form verbreitet. Dazu tragen unsere öffentlich-rechtlichen Sender leider bei, die versuchen, jede zweitrangige Veranstaltung noch als Box-Nacht hochzupuschen. Und andere Sportarten oder Sportereignisse, die zehnmal höher zu bewerten sind, fallen unter den Tisch. Ich habe nicht das geringste Verständnis dafür, wie der Zirkus Profiboxen zelebriert wird.

Bach: Das ist keine Glaubensfrage.

Nehmen Sie ihr ab, nicht gedopt zu haben?

Bach: Es ist nicht entscheidend, wie ich die Sache einschätze, zumal sich über ihren Fall auch Wissenschaftler streiten. Wie jeder Dopingfall hat auch dieser eine menschliche Komponente, die nicht zu vernachlässigen ist. Wir haben Claudia Pechstein nicht fallen gelassen wie eine heiße Kartoffel, aber es ist eine Verurteilung durch das weltweit höchste Sportgericht da. Maßgeblich ist also dieses Urteil, ich kann es als Verantwortlicher ebenso wenig nach Gutdünken außer Kraft setzen wie der Athlet.

Wie begegnen Sie der Skepsis des Sport-Publikums angesichts fortgesetzter Doping- und Wettskandale im Sport?

Bach: Die Skepsis ist ungerechtfertigt. Viele hatten ein weißes Bild vom Sport, dann kommen ein paar schwarze Flecken dazu, und plötzlich ist alles schwarz, gibt es keine Grautöne mehr. Jede gesellschaftliche Gruppierung hat ihre Schattenseiten, keine ist frei von Erscheinungen wie Betrug, Korruption, was auch immer.

Wie steht es um die Pläne für die Olympischen Winterspiele 2018 in München?

Bach: 82 Prozent der Bundesbürger sind für die Idee, wir sind auf einem guten Weg.

Die nächsten Winterspiele 2010 finden erst einmal in Vancouver statt. Was können wir erwarten?

Bach: Die Voraussetzungen dort sind hervorragend. Und es ist gut, dass im Gegensatz zu Peking die Konzentration von Anfang an wieder auf den Athleten und dem sportlichen Geschehen liegen wird, nicht auf den Rahmenbedingungen, wobei die politische Auseinandersetzung mit China in Deutschland schon mit besonderer Schärfe geführt worden war.

Worauf freuen Sie sich 2010?

Bach: Auf Vancouver und dort auf ein gutes Abschneiden der deutschen Mannschaft. Und auf die Fußball-WM in Südafrika.

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