Niederlande: Mit Trauerflor ins Viertelfinale

Nach dem Tod der Tochter von Boulahrouz liegt auf dem Spiel gegen Russland ein Schatten.

Basel/Düsseldorf. Bislang waren sie die Gute-Laune-Truppe des EM-Turniers, feierten ihre in herausragender Manier errungenen Siege nach dem Schlusspfiff noch im Stadion überschwänglich mit ihren Frauen und Kindern.

Doch seit zwei Tagen ist bei der niederländischen Mannschaft nichts mehr so, wie es war. Ein dunkler Schatten hat sich über Oranje gelegt, seit die Tochter des niederländischen Verteidigers Khalid Boulahrouz und seiner Frau Sabiah in einer Klinik in Lausanne nur einen Tag nach der Geburt verstarb.

Anissa Bouhlarouz war am Mittwoch als Frühchen in der 22. Schwangerschaftswoche zur Welt gekommen, am Donnerstagmittag hörte das Herz auf zu schlagen. Mutter Sabiah, die noch am Dienstag auf der Tribüne das Spiel der Niederländer gegen Rumänien verfolgte, war am Mittwochmorgen mit starken Unterleibsschmerzen in die Klinik eingeliefert worden.

Ein Schock für die Familie, den ganzen niederländischen EM-Tross, die ganze Nation. Letztere befand sich seit den glamourösen Auftritten der Elftal bei dieser Europameisterschaft in einem Dauerzustand der Glückseligkeit.

Boulahrouz selbst entschied sich, bei der Mannschaft zu bleiben, der Einsatz des ehemaligen Hamburger Bundesligaspielers im heutigen EM-Viertelfinale gegen Russland (20.45 Uhr/ZDF) ist aber fraglich. "Er hat alle Freiheiten und kann natürlich jederzeit zu seiner Frau. Es gibt Dinge, die wichtiger sind als Fußball. Wir werden ihn in jeder Hinsicht unterstützen", sagte der niederländische Trainer Marco van Basten.

Seine Anteilnahme drückte auch der Trainer der Russen, der Niederländer Guus Hiddink, dem Spieler aus. "Das ist ein menschliches Drama, das für die persönlich Betroffenen den Fußball und diese EM weit in den Hintergrund drängt", sagte der 61-Jährige.

Bouhlarouz, der von 2004 bis 2006 für den Hamburger SV verteidigte und wegen seiner aggressiven Spielweise "Kannibale" genannt wird, steckte zuletzt im Karrieretief. Weder beim FCChelsea in England noch beim FC Sevilla in Spanien konnte sich der Sohn marokkanischer Vorfahren als Stammspieler etablieren.

Und auch aus dem Kader der niederländischen Nationalmannschaft war Boulahrouz kurz vor der EM zunächst aussortiert worden. Erst kurzfristig nominierte ihn van Basten nach, seither aber stand Boulahrouz zur Überraschung vor allem der Experten seines Landes in jedem EM-Spiel als rechter Verteidiger in der Anfangself.

Alternativen zu einem Einsatz des 26-Jährigen gegen Russland gäbe es. So könnte der gegen Rumänien starke Abwehrspieler John Heiitinga neben HSV-Profi Joris Mathijsen in die Innenverteidigung rücken und André Ooijer für Boulahrouz rechts verteidigen. Auch Mario Melchiot oder Wilfred Bouma wären denkbare Ersatzlösungen. In jedem Fall wollen die "Oranjes", die laut van Basten "noch enger zusammenrücken", mit einem Trauerflor spielen.

"Ich bin trotz allem überzeugt, dass wir das Halbfinale erreichen", sagt der 43-jährige Trainer der Elftal. "Dazu hat sich der ehemalige Weltklasse-Stürmer vor allem die russische 1:4-Niederlage im ersten Spiel gegen Spanien genau angesehen.

Allerdings ist ihm auch der Aufwärtstrend der Russen nicht verborgen geblieben. Persönlich kann er auf eine positive Bilanz gegen Hiddink verweisen: Kurz vor der WM 2006 trennte er sich mit Oranje 1:1 von Hiddinks Ex-Team Australien, im Februar 2007 gewann er ein Länderspiel gegen Russland mit 4:1.

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