Rosberg siegt bei irrem Silverstone-GP - Vettel raus

Silverstone (dpa) - Sebastian Vettel ließ sich am Kommandostand trösten, sein deutscher Rivale Nico Rosberg im hochdramatischen Silverstone-Krimi von nichts und niemandem stoppen.

Dass der Wiesbadener knapp drei Stunden nach der Zieldurchfahrt erst endgültige Gewissheit über seinen zweiten Saisonsieg hatte, passte zu einem verrückten Großen Preis von Großbritannien mit einer Serie explodierender Reifen. „Das ist ein ganz besonderer Tag. Diesen Sieg widme ich allen Kollegen des Teams“, sagte Rosberg, dessen Erfolg nachträglich noch einmal in Gefahr geraten war.

Für Vettel war der achte Formel-1-Lauf in diesem Jahr hingegen vorzeitig beendet. „Da oben stehen drei Pokale und ich darf keinen mitnehmen“, sagte er: „Es ist natürlich schade, dass es uns trifft.“ Das Getriebe im Red Bull hatte den Heppenheimer Dreifach-Weltmeister und WM-Spitzenreiter zehn Runden vor Schluss auf Siegkurs liegend im Stich gelassen.

Drei Tage vor seinem 26. Geburtstag musste Vettel den Erfolg seinem Mercedes-Rivalen Rosberg überlassen, der damit nach dem umstrittenen Reifentest für Pirelli zwei der vergangenen drei Rennen gewonnen hat. „Was für eine verrückte Nummer“, sagte Rosberg und ließ sich nach einer verspäteten Sause am Vorabend zu seinem 28. Geburtstag (Donnerstag) bei einer riesigen Fan-Party gleich weiter feiern. Die Rennkommissare verwarnten Rosberg nur, nachdem er bei Gelben Flaggen das Tempo nicht wie vorgeschrieben verlangsamt hatte. Red Bull hatte den Protest eingelegt.

Denn bei einer anderen Strafe wäre Vettels Teamkollege Mark Webber auf seiner Abschiedstournee aus der Formel 1 sogar noch zum Sieger geworden. So aber belegte der 36-Jährige Australier Platz zwei, Dritter wurde Vettels erster WM-Verfolger Fernando Alonso im Ferrari. Sie alle profitierten aber nicht nur von Vettels Pech, sondern auch vom geplatzten Reifen des Pole-Manns Lewis Hamilton. „Das war ziemlich gefährlich. Ich habe drüber nachgedacht zu stoppen“, betonte der Rosberg-Teamkollege. „Ich weiß nicht, warum ich mein Leben für diese verdammten Reifen riskieren soll“, ereiferte sich der Silverstone-Vierte.

Fünfter wurde Kimi Räikkönen im Lotus. Adrian Sutil kam im Force India auf Platz sieben, Nico Hülkenberg rettete im Sauber als Zehnter noch einen Punkt. Vettels WM-Vorsprung schmolz vor dem Heimspiel am kommenden Sonntag auf dem Nürburgring: Alonso liegt auf Rang zwei nun 21 Zähler hinter Vettel. Übermütig wurde der Spanier deswegen aber keineswegs: „Ich habe gemischte Gefühle. Schön, dass wir soviele Punkte geholt haben. Aber wir sind nicht schnell genug.“ Räikkönen folgt mit einem Rückstand von 34 Punkten auf Vettel auf Platz drei.

Doch Punkte und Zeiten gerieten wie schon so oft in diesem Jahr fast in den Hintergrund. Nachdem es bei voller Fahrt vier Reifenschäden gegeben hatte, bei denen die Gummifetzen durch die Luft geschleudert wurden, schimpfte TV-Experte und Mercedes-Teamaufsichtsrat Niki Lauda: „Da kannst du tot sein. Irgendwo hört der Spaß auf.“

Der Österreicher forderte Exklusiv-Hersteller Pirelli umgehend zum Handeln auf. „Was man am wenigsten will, ist, dass einem große Trümmerteile entgegenfliegen. Umso mehr muss man den Reifenhersteller unterstützen“, bekräftigte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff - mit ihrem Test im Mai für Pirelli hatten die Silberpfeile für wochenlange Diskussionen gesorgt und sich vorm Sportgericht verantworten müssen. Dem Vernehmen nach soll Weltverbandschef Jean Todt die Beteiligten zu einem Dringlichkeitsmeeting diese Woche, vermutlich auf dem Nürburgring, einbestellt haben.

Wie schon bei Rosbergs Monaco-Triumph ging der Jubel über den insgesamt dritten Formel-1-Sieg des Wiesbadeners im Reifenzoff fast wieder unter. Rosberg hatte seinen zweiten Startplatz nicht verteidigen können, war sofort von Vettel überholt worden. Dessen Teamkollege Webber fiel nach einem desaströsen Start von Rang drei bis auf Platz 15 zurück. In Runde acht flog der linke Hinterreifen von Hamiltons Silberpfeil in Fetzen davon. „Das ist nicht okay so. Das ist schon ein Risiko“, betonte Rosberg. Bei schätzungsweise 300 Sachen konnte sein britischer Mitstreiter den Wagen zwar auf Kurs halten, die Führung war aber futsch. Vettel, Rosberg und Sutil übernahmen die Plätze eins bis drei.

Nur wenig später löste sich das Gummi von der linken Hinterradfelge bei Massas Ferrari, danach am Toro Rosso von Jean-Eric Vergne. Und jedes Mal nach den Kurven vier und fünf, Panik ging um. Das Safety Car musste raus, sogar eine Kehrmaschine wurde auf den Kurs geschickt, um den Asphalt von den Reifenresten befreit werden. „Bleib weg von den Randsteinen“, befahl das Team Vettel währenddessen: „Du darfst nicht auf die Abweiser fahren, sonst holst du dir auch einen Platten.“

Vettel gehorchte, machte alles richtig. Alles sah nach einem deutschen Doppelerfolg aus. Bis zur Runde 42: Vettel wurde langsamer, die englischen Zuschauer lauter. Das Getriebe im Red Bull hatte den Heppenheimer im Stich gelassen. Er musste seinen Wagen auf der Start- und Zielgeraden abstellen, und holte sich in der Box ein paar tröstende Umarmungen ab. Erneut kam das Safety Car auf die Strecke. In dem dramatischen Finale mit einem weiteren Reifendefekt von Sergio Perez (McLaren) fuhr Webber noch bis auf Rang zwei vor, kam aber an Rosberg nicht mehr heran.

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