Formel 1 Hans-Joachim Stuck: „Nico hat seine Meisterprüfung gemacht“

Der ehemalige Formel-1 Fahrer und Präsident des Deutschen Motor Sport Bundes Hans-Joachim Stuck im Interview zu Nico Rosbergs Weltmeistertitel.

Motorsport-Legende Hans-Joachim Stuck.

Motorsport-Legende Hans-Joachim Stuck.

Foto: dpa

Herr Stuck, wie sehr haben Sie Sonntag währen des Rennens mit Nico Rosberg gezittert?

Hans-Joachim Stuck: Die Kommentatoren haben diesen Kampf natürlich ein bisschen hochstilisiert. Ich habe die Spannung nicht ganz so gesehen. Die Abstände waren schon so, dass man wusste, das reicht. Es war mir klar: Ein Vettel schießt keinen Rosberg ab. Die haben Respekt voreinander, das sind beide Deutsche, die kennen sich. Aber das Unkalkulierbare war das, was Hamilton vorne angestellt hat. Er hat sich natürlich zurückfallen lassen, hat aber schon an dem Punkt Schluss gemacht, wo es eng geworden wäre und genau zum richtigen Zeitpunkt noch genügend Gas gegeben.

Hat sich Nico Rosberg den Titel verdient?

Stuck: Der Titel ist zu einer Million Prozent verdient an Nico gegangen. Nico hat in seiner Karriere von seinen Teamkollegen wie Michael Schumacher oder Lewis Hamilton immer gelernt, er hat Dinge angenommen und sich an diesen Top-Fahrern orientiert. Und er hat auch den Speed. Das sieht man, wenn man sich die Qualifying-Duelle anschaut. Er war absolut auf Augenhöhe mit Hamilton und hat den Titel dadurch nach Hause gefahren. Der Titel ist nicht geschenkt, der war hart umkämpft.

Hat Rosberg nun bewiesen, dass er Druck aushalten kann?

Stuck: Auf jeden Fall. Er ist dieses Wochenende sehr professionell angegangen und hat sich nicht verrückt machen lassen. Er hat in den letzten Rennen, als es um die Wurst ging, null Fehler gemacht — und das bei dem Druck und dem Wissen, dass der Teamkollege vorne fast alle Möglichkeiten ausschöpft. Damit hat er am Sonntag seine Meisterprüfung gemacht.

War die Aktion von Hamilton fair?

Stuck: Er hat sich wieder einmal nicht an die Teamorder gehalten. Ein richtiger Hund. Jeder fährt natürlich für sich. Aber in meiner aktiven Zeit war es so: Wenn eine Anordnung vom Team kommt, dann liegt es in der Natur der Sache, die auch zu befolgen. Und da macht man sich sicherlich nicht beliebt damit, wenn man sich nicht daran hält.

Mercedes-Teamchef Toto Wolff schien sehr verärgert. Wird Hamiltons Verhalten Konsequenzen haben?

Stuck: Sie werden die Sache intern sicherlich besprechen, denn das ist ja nicht der erste Vorfall. Schlussendlich hat Hamilton den Nico auch in Barcelona abgeschossen. Und obwohl sie natürlich am Limit gegeneinander kämpfen, gibt es Grenzen. Mir fehlt der Respekt von Hamilton. Das ist keine gute Basis für das nächste Jahr.

Im Gegensatz zu Schumacher und Vettel scheint es Rosberg bei den deutschen Fans schwerer zu haben. Warum ist das so?

Stuck: Ich finde das nicht. Der Hype in allen Nachrichten ist nicht weniger als bei Vettel. Den deutschen Formel-1-Boom hat Schumacher angefangen, dann kam Vettel. Und irgendwann ist es wie im Tennis zu Zeiten von Becker und Graf, dann lässt dieser Hype ein bisschen nach. Außerdem kommt hinzu: Die Formel 1 hat in einem messbaren Maße an Interesse in der Öffentlichkeit verloren. Das ist ganz deutlich. Die Technik ist für die Leute nicht nachvollziehbar, die Ticketpreise sind zu hoch, die Fan-Nähe fehlt. Das spielt alles eine Rolle. Aber wir können stolz sein auf Nico Rosberg und auch auf Mercedes. Da haben wir ja vom Nationalstolz her alles abgeräumt, das finde ich ganz große Klasse.

Der Aufsteiger des Jahres war Max Verstappen. Allerdings scheiden sich an seiner Fahrweise die Geister. Wie beurteilen Sie ihn?

Stuck: Er hat vor niemandem Respekt. Das braucht man auch in diesem Sport, das ist wichtig. Aber er hat sich bei mir neulich viele Pluspunkte gemacht: In Brasilien hat er sich im Regen als einziger abseits der Ideallinie die Linien gesucht, wo Grip war. Das fand ich eine ganz clevere Aktion, gepaart mit viel Fahrkönnen. Damit hat er den Kollegen eine Lehrstunde erteilt. Das hat mich sehr an Ayrton Senna erinnert, der auch super im Regen war. Und wenn er nicht in die Box geholt worden wäre, hätte er das Rennen mit Meilenvorsprung gewonnen. Das zeigt mir, dass er natürlich brachial zu Werke geht, aber auch unheimlich clever ist. Und das zeichnet ihn aus.

Ist er gut für die Formel 1?

Stuck: Solche Leute wie Hamilton, Rosberg und Verstappen braucht die Formel 1. Der kämpft, der zeigt den Leuten etwas, der riskiert etwas. Motorsport ist immer noch ein Kampfsport. Das ist doch Quatsch, wenn einer beim Überholen mal einen am Rad berührt und dann im nächsten Rennen zehn Plätze nach hinten muss. Bestrafungen müssen schon sein, wenn jemand über die Stränge schlägt. Aber übertriebene Regeln dämpfen ja alles ein, das ist nicht richtig.

Für Sebastian Vettel war es ein enttäuschendes Jahr. Wird er nächstes Jahr mit dem Ferrari um den Titel mitfahren können?

Stuck: Ich bin überzeugt, dass sich Ferrari nicht mit diesen Ergebnissen zufrieden gibt. Sonst wäre es nicht Ferrari. Der Konzern wird sich die Frage stellen, ob Teamchef Maurizio Arrivabene der richtige Mann ist. Und ich bin sicher, dass sie die Weichen stellen, dass es im nächsten Jahr vorwärts geht.

Wie beurteilen Sie die Saison grundsätzlich?

Stuck:
Wir haben eine spannende Saison erlebt, obwohl es im Endeffekt nur zwischen zwei Fahrern um den Titel ging. Dass die beiden vom gleichen Team sind, ist gut fürs Team, schlecht für die Zuschauer. Aber die Formel 1 hat eine gute Visitenkarte abgegeben, und ich freue mich jetzt schon auf den Beginn der nächsten Saison.

In der nächsten Saison gibt es viele Regeländerungen in der Formel 1. Geht es in die richtige Richtung?

Stuck: Ich hoffe, dass der neue Rechteinhaber Liberty Media jetzt die Weichen stellt, was Regularien, was Anzahl und Ablauf der Rennen angeht. Dass sie die Formel 1 der Zukunft anpassen und wieder mehr auf die Fans hören. Damit die Formel 1 für den Fan wieder greifbarer wird. Aber ich traue den Leuten bei Liberty Media zu, dass sie das hinkriegen.

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