Fußball-Bundesliga Die Symbolfigur als Feindbild

MÖNCHENGLADBACH · Während die sportliche Kompetenz von Max Eberl gelobt wird, ist sein Ruf bei vielen Fans ruiniert. Am Samstag trifft er mit Leipzig auf Gladbach.

 Leipzigs Sportchef Max Eberl empfängt am Samstag seinen Ex-Club Borussia Mönchengladbach.

Leipzigs Sportchef Max Eberl empfängt am Samstag seinen Ex-Club Borussia Mönchengladbach.

Foto: dpa/Robert Michael

Max Eberl schweigt. Vor dem Wiedersehen mit Ex-Club Borussia Mönchengladbach meidet der eigentlich recht kameraaffine Sportchef von RB Leipzig das Rampenlicht. Dabei gäbe es viel zu bereden. Das Bundesliga-Spiel am Samstag (15.30 Uhr/Sky) wäre allerdings nur ein Randthema. Vielmehr ginge es um Glaubwürdigkeit, Integrität, Anfeindungen und Menschlichkeit. Sozusagen um ein Spiegelbild des Fußballgeschäfts, das hochjubelt, sich nach dem Wind dreht, am Ende gnadenlos ausspuckt. Max Eberl hätte dazu sicherlich viel zu sagen.

In Gladbach war er 23 Jahre lang der Kämpfer gegen die Übermächtigen der Branche. Der Borussia, die lange Zeit außer Tradition und einen verklärten Blick in die Vergangenheit nicht viel zu bieten hatte, verhalf Eberl als nimmermüder Spieler und später als ebenso umtriebiger Manager zu einer kleinen Renaissance. Er war nicht weniger als eine Identifikationsfigur. Doch irgendwann lief nicht mehr alles rund. Dann kam der 28. Januar 2022. „Ich will einfach raus, ich will mit Fußball nichts zu tun haben. Ich will Max Eberl sein“, sagte Eberl – und ging.

Doch als nur wenige Monate später die ersten Gerüchte über ein Engagement in Leipzig aufkamen, schlug das Mitgefühl gegenüber Eberl vielerorts in tiefe Abneigung um. Daran hat sich bis heute wenig geändert, und so sieht sich sein Ex-Club vor dem Spiel in Leipzig sogar dazu genötigt, die eigene Anhängerschaft zur Vernunft zu rufen. „Wir wollen niemandem das Recht zur Meinungsäußerung absprechen, aber wir erwarten, dass dies oberhalb der Gürtellinie stattfindet“, sagte Geschäftsführer Stephan Schippers.

Ihnen schwant offenbar Böses. Schließlich gab es gegen Eberl bereits bei den Spielen in Köln und gegen Union Berlin äußerst unappetitliche Plakate. „Es tropft bei mir ab. Wen es mehr trifft: meine Eltern“, kommentierte Eberl eine Aktion. Trainer Marco Rose appellierte, „diesen Hohlrollern“ nicht weiter eine Plattform zu geben. Sein aktueller Arbeitgeber hat trotzdem nicht vor, die Gäste-Anhänger vor Betreten des Stadions noch gründlicher zu untersuchen. Das Spiel sei wie schon die anderen Partien gegen Gladbach in die Kategorie „gelb“ eingestuft, hieß es.

Was die Abneigung gegen Eberl sicherlich befeuert, ist die Halbwertzeit seiner Meinungen. Tönte der 49-Jährige im Jahr 2016 noch, dass ihn bei RB „dieses Geschiebe von Spielern von Salzburg nach Leipzig“ störe, so verpflichtete er bei seinem allerersten Transfer in Leipzig Nicolas Seiwald als Salzburg. „Ich habe damals als Kontrahent was dazu gesagt“, sagte Eberl darauf angesprochen. Er vermittelt damit kein anderes Bild als jene Spieler, die nach einem Tor das Wappen auf dem Trikot küssen, in Wahrheit aber längst woanders unterschrieben haben. So ist eben das Geschäft, alles andere ist naiv.

Wirtschaftlich und in die eigenen Ambitionen einordnend ist das alles nachvollziehbar. Eberls Glaubwürdigkeit ist allerdings als angeschlagen zu bezeichnen. Hinzu kommt, dass er bei seinem Abschied aus Gladbach betonte, er wolle „raus aus der Mühle“. Dazu passt nicht wirklich, dass er nun augenscheinlich auf einem Posten mit noch mehr Macht, Verantwortung und Erfolgsdruck sitzt als zuvor.

Am Spieltag gegen Gladbach ist Eberl 100 Tage als sportlicher Alleinherrscher bei RB im Amt. Wäre er Politiker, wäre die Schonfrist vorbei. In Leipzig hat er bisher eine durchwachsene Bilanz. Die Angestellten schwärmen vom Menschen Eberl, er vereint Offenheit und Kompetenz. Vom ersten Tag an sprach Eberl öffentlich von „Wir“, machte somit unmissverständlich klar, für wen sein Herz jetzt zumindest temporär schlägt.

Bisher ist er das von Ex-Boss Oliver Mintzlaff gewünschte Gesicht des Vereins, der sportliche Erfolg erleichterte diesen Teil der Arbeit natürlich. Zudem schuf sich Eberl ein heimeliges Umfeld, das mit der jüngsten Verpflichtung seines Freundes Rouven Schröder als Sportdirektor komplettiert wurde.

In Sachen Transfers muss Eberl zulegen. Abgesehen von der uninspirierten Verpflichtung Seiwalds verpasste es der Sportchef im Januar, den von Trainer Rose oftmals als klein beschriebenen Kader aufzustocken. Stattdessen kassierte er Absagen, unter anderem vom FC Liverpool für eine Rückholaktion von Naby Keita. Dies könnte nun gravierende Folgen haben, denn die langfristigen Ausfälle von Dani Olmo, Christopher Nkunku und Xaver Schlager sind kaum zu kompensieren. Wie die Saisonziele trotzdem erreicht werden, wird Eberl womöglich am Sonntag erklären. Da mag er wieder reden und hat für einen TV-Auftritt zugesagt.

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