Meinung Löw – ein Trainer mit späten und halbherzigen Einsichten

Meinung · Joachim Löw ist sich keiner Schuld bewusst. Selbstzufrieden plaudert der Bundestrainer in der DFB-Zentrale über den Neustart der Fußball-Nationalmannschaft. Von seinen gravierenden Fehleinschätzungen spricht der 59-Jährige nicht.

 Ein Kommentar von Rolf Eckers.

Ein Kommentar von Rolf Eckers.

Foto: Sergej Lepke

Wenn Löw der Meinung ist, dass das Münchner Trio Hummels, Boateng und Müller einer erfolgreichen Zukunft der Mannschaft im Weg steht, gehört es zum Kern seiner Aufgabe, sie auszumustern. Das ist nicht das Problem. Aber Löws Begründung überzeugt nicht. Wenn die drei Weltmeister den Jungen ihren Platz wegnehmen, warum hält er dann an Toni Kroos fest, der wie Müller 29 ist und mit Real Madrid eine Saison zum Vergessen spielt. Und warum darf Manuel Neuer (32) bleiben? Marc-André ter Stegen (26) hat sich beim FC Barcelona zu einem der besten Torhüter der Welt entwickelt, Neuer dagegen hat die Weltspitze längst verlassen. Wenn Erfahrung nicht mehr maßgebend sein soll – und das behauptet der Bundestrainer – agiert Löw in Sachen Personal sehr halbherzig.

Nach den peinlichen Auftritten bei der WM in Russland hat sich Löw monatelang Zeit für eine angeblich teifgreifende Analyse des Desasters genommen. Leider blieb der Erkenntnisgewinn gering. Jedenfalls war damals keine Rede von der Notwendigkeit, konsequent auf den ja durchaus vorhandenen Nachwuchs zu setzen. Was folgte, war der Abstieg aus der Nations League. Es spricht gegen die Fähigkeiten des Trainers Joachim Löw, dass er das Potenzial eines Leroy Sané nicht erkannt hat. Als bester Nachwuchsspieler der Premier League ausgezeichnet, fand Sané keinen Platz im WM-Kader. Julian Brandt war zwar dabei, aber Löw vertraute ihm nicht. Kein Startelf-Einsatz für den Leverkusener.

Der von Löw proklamierte Neubeginn wirkt auch deshalb so wenig glaubwürdig, weil Argumente von gestern heute gar keine Bedeutung mehr haben. Beispiel Thomas Müller: Im Herbst 2018 meinte Löw noch, dass der Münchner für das Binnenklima in der Nationalmannschaft unverzichtbar sei. Warum gilt das nicht mehr? Ob ein Team funktioniert, entscheidet sich nicht nur auf dem Platz, sondern auch in der Kabine.

Mit Havertz, Brandt, Gnabry, Werner, Kimmich, Goretzka, Süle, Kimmich und Sané verfügt Deutschland über erstklassige junge Spieler, die in der Lage sind, Fußball mit sehr hohem Tempo zu spielen. Löw bieten sich alle Möglichkeiten. Dass er das richtige Händchen hat, darf aber bezweifelt werden. So hält der Bundestrainer an Linksverteidiger Jonas Hector (28) fest, der gerade dann Defizite aufweist, wenn es richtig schnell geht. Philipp Max und Nico Schulz, beide 25, beweisen in der Liga Woche für Woche, dass sie echte Alternativen sind. Aber Löw sieht das nicht.

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