Lendl — Meister der Gelassenheit

Der 53-Jährige hat aus Andy Murray einen Champion geformt.

Düsseldorf/London. Es war ihm tatsächlich ein Lächeln heraus gerutscht. Als Andy Murray nach seinen Wimbledon-Trumph vom Rasen des Centre Court hinauf in seine Box kletterte, um seine Familie und seinen Trainerstab zu herzen, da war es sogar um Ivan Lendl geschehen. Er lächelte, weil er ein Teil dieses Erfolgs war.

Als Spieler war Lendl, der insgesamt acht Grand-Slam-Siege feiern konnte, dieser Erfolg trotz dutzendfacher Anläufe nie gelungen. Dabei war es immer der größte Traum im Berufsleben der ehemaligen Nummer eins der Tenniswelt, das wichtigste aller Turniere zu gewinnen. Es war eine Hassliebe zwischen ihm und Wimbledon. 1982 hatte Lendl das Turnier sogar mit berüchtigten Worten boykottiert: „Gras ist nur gut für Kühe.“

Nun aber, nachdem sein Schützling Andy Murray den Matchball zum Dreisatzsieg gegen Novak Djokovic verwandelt hatte, war auch Lendl Wimbledon-Sieger — zumindest ein wenig.

„Er hat mich mehr aus meinen Niederlagen lernen lassen als in der Vergangenheit“, sagt Murray und ergänzt: „Er hat mir immer exakt das gesagt, was er gedacht hat. Und das ist in einem Spieler-Trainer-Verhältnis nicht immer einfach.“ Wenn der introvertierte Lendl mal spricht, nimmt er offenbar kein Blatt vor den Mund.

Seit Anfang 2012 arbeiten der Trainer Lendl und der Spieler Murray zusammen. Eine überaus fruchtbare Gemeinschaft. Seitdem hat Murray vier der letzten fünf Grand-Slam-Endspiele erreicht. Im vergangenen Jahr in Flushing Meadow, und jetzt im Norden Londons ging er dann als Sieger vom Platz. Zudem gewann der heute 26-Jährige im vergangenen Jahr in Wimbledon Olympia-Gold.

An der körperlichen Fitness und am Schlag-Repertoire musste Lendl bei Murray wenig justieren und verbessern. Vielmehr hat er Einfluss auf die Psyche des Schotten genommen. „Er hat an mich geglaubt, als viele es nicht getan haben. Er ist zu mir gestanden, auch nach einigen schlimmen Niederlagen in den vergangenen Jahren“, sagt Murray.

Die emotionalen Ausbrüche des Andy Murray nach vergebenen Punkten gehören der Vergangenheit an — seitdem Lendl da ist. Im Gegenteil: Immer dann, wenn Murray beim Turnier in Wimbledon in einer verzwickten Lage steckte, behielt er die Nerven. Ob gegen Fernando Verdasco im Viertelfinale, gegen Jerzy Janowicz im Halbfinale oder gegen den „Joker“ im Finale.

Ivan Lendl saß stets da und lebte beinahe regungslos seine Coolness vor. So wie er es früher auch auf dem Platz gemacht hat. Kann es einen besseren Lehrmeister für Murray geben?

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