New York läuft nicht: „Zur Hölle mit dem Marathon“

New York (dpa) - Die Bevölkerung von New York City hat die erstmalige Absage des Marathons mit Genugtuung aufgenommen, zahlreiche Läufer haben dagegen wütend reagiert. „3 Monate Training einfach auf Eis legen ist schwer!

“, schrieb Deutschlands Lauf-Ass Sabrina Mockenhaupt auf ihrer Facebook-Seite.

Die 31-Jährige äußerte zwar Verständnis für die Entscheidung, kritisierte aber den Zeitpunkt: Erst knapp 35 Stunden vor dem geplanten Startschuss sagte Bürgermeister Michael Bloomberg den weltberühmten Langstrecken-Klassiker durch die fünf New Yorker Stadtteile ab. Da waren zehntausende Läufer aus aller Welt bereits in der Stadt.

„Wir möchten nicht, dass eine Wolke über dem Lauf oder seinen Teilnehmern hängt“, hatte Bloomberg per Pressemitteilung verbreiten lassen. In den Tagen zuvor hatte das Stadtoberhaupt trotz der unübersehbaren Schäden durch Wirbelsturm „Sandy“ noch starrköpfig betont, dass der Marathon auf jeden Fall stattfinden werde - und war dafür deutlich kritisiert worden. Er ziehe Marathon-Läufer aus aller Welt den Menschen in den zerstörten Stadtteilen vor, hieß es.

Wie der TV-Sender CNN berichtete, standen auf der Verrazano- Brücke, wo der Marathon beginnen sollte, seit Tagen mehr als einhundert Generatoren und mobile Toiletten-Häuschen für die Läufer bereit. Nur wenige Kilometer weiter, in Staten Island, waren Zehntausende immer noch ohne Strom. Zudem gab es auf der Insel mit 22 Toten so viele Opfer zu beklagen wie in keinem anderen New Yorker Stadtteil. In vielen Hotels in Manhattan mussten New Yorker, die obdachlos geworden waren und hier Unterschlupf fanden, am Freitag ihre Zimmer verlassen, weil tausende Marathon-Läufer anreisten.

Noch am Freitagvormittag (Ortszeit) hatte Bloomberg den Rat seines Vorgängers Rudolph Giuliani eingeholt. Dieser hatte ihm empfohlen, bei seinem ursprünglichen Plan zu bleiben und das Event zu starten. Doch es war klar, dass diese 43. Auflage die Stadt nicht, wie von Bloomberg und der emsigen Renndirektorin Mary Wittenberg stets betont, vereinen, sondern spalten würde. „Zur Hölle mit dem Marathon“, war auf Schildern in den verwüsteten Gebieten zu lesen. Und bald wuchs selbst innerhalb von Bloombergs Kreis des Vertrauens die Sorge darüber, dass Fernsehbilder von Läufern in der Nähe von zerstörten Häusern und überfluteten Wohnsiedlungen für globales Unverständnis sorgen könnten.

Es gehe diesmal nicht um den 42,195 Kilometer langen Lauf, sondern darum, der Stadt zu helfen, hatte Wittenberg immer wieder betont und den Marathon spontan als „Race to recover“ (Rennen zur Genesung) ausgerufen. Mittels Spendengeldern sollte denjenigen geholfen werden, die von „Sandy“ am schwersten betroffen sind.

Fast 30 000 Menschen hatten auf www.change.com in einer Petition Wittenberg und Bloomberg bereits in den vergangenen Tagen aufgefordert, den Marathon auf den Frühling 2013 zu verschieben. Beide wurden auf der Internetseite unter anderem als „Personifikation von Habgier und Übel“ bezeichnet. Sie würden wichtige Kräfte der Stadt für einen Lauf verschwenden, während Leute Leichen aus dem Schlamm buddeln, hieß es.

Wittenberg, die bei der Absage mit den Tränen kämpfte, sprach von „einer der schwersten Entscheidungen, die wir jemals getroffen haben.“ Rund 340 Millionen Dollar betragen die jährlichen Einnahmen durch das Großevent - keine Sportveranstaltung spült mehr Geld in die Stadtkassen. Wittenberg betonte, dass die für den Marathon angedachten Generatoren, Toilettenhäuschen sowie Essen und Getränke nun den notleidenden Menschen zugutekommen sollen.

Alle Läufer erhielten für 2013 eine Startplatz-Garantie. Die Teilnahmegebühren von 255 Dollar indes müssen sie noch einmal zahlen, hinzu kommen erneut Reise- und Unterkunftskosten. Einige von ihnen haben, sehr zur Freude der Senatorin des Bundesstaates New York, Liz Krueger, bereits angekündigt, ihre Fitness in den Dienst der guten Sache stellen zu wollen. „Wenn Läufer helfen wollen, können sie gerne Wasser und Essen zu älteren oder behinderten Leuten bringen, die seit Tagen in Apartments von 20-oder 30-stöckigen Etagen-Häusern feststecken“, sagte Krueger.

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