Friedrich neue Strahlefrau: Bronze ist Gold wert

Berlin (dpa) - Hochsprung-Exzentrikerin Ariane Friedrich könnte die neue Strahlefrau der deutschen Leichtathletik werden und WM-Bronze schnell Gold für sie wert sein.

„Ich bin nicht mehr das German Girl, sondern ich bin nun Ariane Friedrich und für manche wohl ein Idol“, beschrieb die 25-jährige Frankfurterin nach dem WM-Finale in Berlin ihren Persönlichkeitswandel. Verbiegen und vereinnahmen lassen will sich die als flippig, exaltiert und eigenwillig bekannte Athletin aber nicht. „Ich bin so wie ich bin, und das ist gut so“, betonte sie. „Ich werde mir keinen Imageberater zulegen.“

Auch der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) will sein fliegendes Aushängeschild nicht auf Konformität trimmen. „Wir sollen Stars entwickeln, die eckig und kantig sind, aber gleichzeitig sollen sie auch die liebe Schwiegertochter sein“, sagte DLV-Sportdirektor Jürgen Mallow. „Individualität ist etwas Großartiges.“ Für den Meeting-Direktor des bedeutenden Golden-League-Meetings in Zürich hat Ariane Friedrich alles, was sie zu einer der ganz Großen machen kann. „Die deutsche Leichtathletik braucht wieder eine Lichtgestalt“, sagte der Schweizer Patrick Magyar, fügte aber kritisch hinzu: „Außerhalb der Wettkämpfe hat sie sich in den letzten Jahren kaum gezeigt. So baut man keinen internationalen Star auf.“

Eigenwillig ist die deutsche Rekordlern auch in ökonomischen Dingen. „Natürlich hätte ich gern ein dickes Konto, ein eigenes Haus, Geld für Reisen“, sagte Ariane Friedrich. Doch die Sponsoren stehen noch nicht Schlange und für alles würde sie auch nicht werben. „Ich würde nicht alles machen und nicht zu jedem Preis“, meinte sie, „und im Wettbewerb springe sich sowieso nicht wegen des Geldes.“

Überhaupt keine Wehmut verspürte die Hallen-Europameisterin und Weltjahresbeste nach einer fast schlaflosen Nacht, dass es zum Sieg nicht gereicht hat und sie hinter ihrer großen Widersacherin Blanka Vlasic (Kroatien/2,04 Meter) und der höhengleichen Russin Anna Tschitscherowa mit 2,02 Meter Dritte geworden war. „Es war meine erste WM und ich bin im zweiten Jahr in der internationalen Spitze. Ich bin ein Rookie, habe alles gegeben und bin mit mir zufrieden“, resümierte Ariane Friedrich, die in Berlin zum 25. Mal die Zwei-Meter-Marke in ihrer noch jungen Karriere überquerte.

Die Kommissar-Anwärterin der hessischen Polizei hatte sich die gute Laune im mit fast 58 000 Zuschauern gefüllten Olympiastadion auch nicht verderben lassen, als Usain Bolt ihr mit seinem 200-Meter- Weltrekord vor den Versuchen über 2,02 Meter in die Quere kam. „Ich war kurz mal nicht bei mir und habe die Bolt-Mania gespürt“, berichtete Ariane Friedrich, die daraufhin zweimal diese Höhe riss und erst beim dritten Versuch drüber kam. „Da ging mir schön die Düse, dass es in die Hose gehen könnte“, bekannte sie.

Als ihre beiden Rivalinnen über die 2,04 Meter gefloppt waren und sie zweimal hängen blieb, spielte die Deutsche „Alles oder Bronze“ und ließ 2,06 Meter auflegen. „Wenn ich einen halben Fuß weiter zurück abgesprungen wäre, wäre ich drüber gewesen“, sagte Friedrich, die diese deutsche Rekordhöhe am 14. Juni an gleicher Stelle gemeistert hatte. „Der dritte Versuch über 2,04 Meter wäre nicht so gut gewesen wie der Sprung über 2,06 Meter. Da war der Adrenalinstoß etwas größer“, begründete sie das Wagnis. „Das wäre nicht ich gewesen, wenn ich nicht noch auf Platz eins gewollt hätte.“

Das Erlebnis bei der Heim-WM ist für Ariane Friedrich Motivation, vielleicht bei den Olympischen Spielen 2012 das Duell mit Blanka Vlasic, die 21 Zweikämpfe gegen die DLV-Höhenjägerin 16 Mal für sich entschied, zu gewinnen. „Vielleicht bekomme ich eine Revanche, um irgendwann die deutsche Hymne hören zu können“, hofft Ariane Friedrich, die unmittelbar nach dem WM-Finale aber eine ganz andere Sehnsucht hatte: „Ich habe mir endlich Schokolade gegönnt.“

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