„La Mannschaft“ bezaubert Franzosen

Alle Rivalität ist vergessen: Nach dem schmachvollen Aus der eigenen Elf fiebert die Grande Nation nun mit Deutschland.

Paris. Die stürmische Charme-Offensive der deutschen Ballzauberer betört die Welt. Es ist ein leidenschaftliches Werben, dem selbst die eher reservierten Franzosen zu erliegen scheinen. "Das ist eine Mannschaft!", prangt es in großen Lettern auf der Titelseite von "L’Equipe", Frankreichs führender Sportzeitung. Eine Verneigung von vielen.

Denn auch in zahlreichen Alltagssituationen fliegen deutschen Fußballfans in diesen Tagen die Herzen vieler Franzosen entgegen. "Ich halte zu Deutschland", sagt Jean-Pierre, der Barmann im Pariser "Café des Anges" nahe der Bastille. Und streckt mit einem sympathischen Lächeln den Daumen nach oben. Ein anerkennendes Schulterklopfen hier, ein gewinnendes Augenzwinkern dort. "Deutschland muss Weltmeister werden", sagt nebenan der Mann am Kiosk. Mon Dieu! Komplimente über Komplimente, Glückwünsche und Aufmunterungen.

"La Mannschaft" - so nennen die Franzosen die deutsche Auswahl seit jeher, lange Zeit jedoch mit einem respektvollen und sehr unterkühlten Unterton. Man erkannte altbekannte deutsche Tugenden an: Disziplin und Ausdauer, Geschlossenheit und Kampfeswille. Doch vor allem mit der letzteren verbinden ältere französische Fußballfans wenig Gutes. Der dramatische Zwischenfall, der eine ganze Nation jahrzehntelang schwer traumatisieren sollte, passierte im Halbfinale der WM 1982 in Spanien, in der "Nacht von Sevilla". Da sprang die deutsche Torwart-Legende Toni Schumacher den französischen Angreifer Patrick Battiston derart brutal an, dass dieser bewusstlos und krankenhausreif am Boden liegen blieb: mit Verletzungen an der Wirbelsäule, einer Gehirnerschütterung und zwei ausgeschlagenen Zähnen.

Erst die große WM-Party 2006 (Motto: "Die Welt zu Gast bei Freunden") sollte das arg ramponierte Deutschland-Bild der Nachbarn erheblich aufpolieren. Franzosen, die traditionell nur schwer dazu zu bewegen sind, den Rhein zu überqueren, kehrten begeistert in ihre Heimat zurück: voller Entzücken über die Lebensfreude und Gastfreundlichkeit ihrer Nachbarn.

Kein Wunder, dass deutsche Tourismusmanager in Paris wie Bernhard Gerversmann (Leiter der Deutschen Zentrale für Tourismus) heute sagen: "Die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 war die beste Werbung für unsere Land."

Mag bei den deutsch-französischen Beziehungen auf höchster Regierungsebene derzeit mal wieder viel Sand im Getriebe sein: Es hindert die Franzosen nicht daran, immer häufiger und mit zunehmender Bewunderung zum Nachbarn im Westen herüber- und manchmal auch zu ihm herauf zu schauen.

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