Handball-WM Warum Brasiliens Handballstars keine Fans im eigenen Land haben

Köln · Brasiliens Handballer sind die Überaschung der WM – in der Heimat bekommt aber kaum jemand etwas davon mit.

 Die Brasilianer jubeln nach dem Sieg gegen Kroatien.

Die Brasilianer jubeln nach dem Sieg gegen Kroatien.

Foto: dpa/Marius Becker

Manche sanken auf dem Feld zusammen, andere blieben stehen und hielten sich die Hände vors Gesicht. Der Großteil der brasilianischen Handballer sprang aber einfach nur herum, riss die Arme nach oben, schrie die Freude heraus und feierte. Mit den Zuschauern, die aus dem Häuschen waren. Die Südamerikaner bezwangen Kroatien in der WM-Hauptrunde in Köln am Sonntagabend mit 29:26. Eine Sensation.

„Das war ein historischer Sieg für uns“, frohlockte Haniel Langaro, der neunfache Torschütze, der von den Kroaten überhaupt nicht zu bändigen war. Der Außenseiter, der sich von der famosen Stimmung der 15227 Zuschauer tragen ließ, lag die gesamte Partie über in Führung. „Wir haben eine starke Abwehr gestellt und in der Offensive gut auf die verschiedenen Varianten der Kroaten reagiert“, freute sich Trainer Washington Nunes Silva, der aber auch ehrlich zugab: „Wir hätten nie gedacht, dass wir das Spiel gewinnen können.“

Brasilien ist im Handball eben eine kleine Nummer. Im Vorfeld der Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro wurde verhältnismäßig viel in die Sportart investiert. Die Frauen sicherten sich 2013 den WM-Titel, für die Männer, die auf ihrem Kontinent zumeist im Schatten der Argentinier stehen, war es ein Erfolg, dass sie in Rio das Viertelfinale erreicht hatten – unter anderem, weil sie in der Vorrunde gegen Deutschland mit 33:30 gewannen. Aber in ein größeres öffentliches Licht schafften sie es nie.

2018 setzte ein Korruptionsskandal innerhalb des brasilianischen Verbandes (CBHB) den Sportlern schwer zu. Im Herbst musste ein Trainingslager abgesagt werden. „Es ist schwierig bei uns, Handball zu spielen“, berichtet Jose Toledo am Sonntag. Der Linkshänder steht beim polnischen Champions-League-Teilnehmer Wisla Plock unter Vertrag.

Er ist einer der Stars der Mannschaft - in seiner Heimat kennen ihn aber nur die Insider. „Wenn wir am Flughafen sind, fragen die Leute, was wir spielen: Volleyball oder Basketball“, seufzt Toeldo, der aber dennoch behauptet: „Wir haben ein Herz für Handball.“ Aber es wird kaum darüber berichtet.

Als die Brasilianer in der Vorrunde nicht nur Korea und Serbien bezwangen, sondern auch dem deutschen Team mit dem Sieg über Russland das Turnier gerettet haben, nahm in der Heimat niemand Notiz davon. In den größeren Zeitungen wurde das fast gänzlich ignoriert. „Ich hoffe, dass uns die Medien jetzt mehr Aufmerksamkeit schenken“, sagt Kapitän Thiagus Petrus Santos. Er spielt beim großen FC Barcelona – aber dort keine bedeutende Rolle. Für seine Nationalmannschaft ist er aber die Führungsfigur schlechthin. „Dieser Sieg gegen Kroatien bedeutet uns viel“, erzählt er. Aber auch nicht alles. An diesem historischen Tag durchbrach Trainer Washington Nunes Silva das Protokoll der Pressekonferenz und sagte in die Mikrofone: „Ich sende Küsse an meine Mama. Sie feiert heute ihren 80. Geburtstag.“

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