Handball: Was vom Wintermärchen übrig bleiben soll

Am Mittwoch setzt die Handball-Liga die laufende Saison fort. Alle hoffen, im Glanz der Europameister zu erstrahlen. Für seine großen Pläne braucht der DHB auf jeden Fall die Liga.

Handball im Mittelpunkt beim Ball des Sports: Torwart Andreas Wolff (v.l.), Moderator Johannes B. Kerner, Bundespräsident Joachim Gauck und Bundestrainer Dagur Sigurdsson.

Handball im Mittelpunkt beim Ball des Sports: Torwart Andreas Wolff (v.l.), Moderator Johannes B. Kerner, Bundespräsident Joachim Gauck und Bundestrainer Dagur Sigurdsson.

Foto: Boris Roessler

Düsseldorf. Dienstag am späten Abend fischt Andreas Wolff die Lose für das DFB-Pokal-Halbfinale aus dem Topf, am Sonntag noch saß er in München in der Fußball-Talksendung Doppelpass. Der Handball-Torwart Wolff und sein Bundestrainer Dagur Sigurdsson sind die neuen Botschafter des deutschen Handball-Glücks, da geht es auch schon mal fachfremd zu. Gerade erst raus aus dem Wintermärchen. Europameister. Jetzt will sich jeder mit ihnen schmücken und hören, wie das denn ist, wenn man reihenweise mit weit über 100 km/h abgefeuerte Bälle abwehrt. Oder wie man als Isländer mit einer abgewetzten Taktiktafel eine deutsche Nationalmannschaft zum Handball-Europameister macht. Gut, dass Wolff Mittwoch noch Bundesliga-Pause hat. Und sein Verein, die HSG Wetzlar, erst an diesem Wochenende bei der HBW Balingen-Weilstetten antreten muss.

Auch Sigurdsson hat noch ein bisschen Zeit, über Vergangenes zu reden. Erst am 11. und 13. März spielt die DHB-Auswahl wieder, dann in Leipzig und Berlin gegen den WMZweiten Katar. Die Spieler des VfL Gummersbach aus dem EM-Kader — Simon Ernst und Torwart Carsten Lichtlein — müssen derweil schon am Mittwoch wieder in der Bundesliga beim THW Kiel ran (19 Uhr). Es geht weiter, die Liga läuft, 19 von 34 Spieltagen sind absolviert. Die Helden sind zurück im Alltag.

Zurück in einer Liga, die nur noch aus 17 Mannschaften besteht. Während die deutschen Handballer in Polen den Handball-Boom forcierten, erlitt der HSV Hamburg endgültig Schiffbruch. Insolvent, abgemeldet. „Ich habe großes Mitgefühl für die Spieler und die Stadt“, sagte DHB-Präsident Andreas Michelmann am Rande der EM in Polen, „aber es ist gut, dass das Kapitel jetzt zu Ende ist. Wir begleiten das schon seit zwei Jahren.“ Frank Bohmann, Chef der Handball Bundesliga, will „gar nicht mehr darüber reden“. Immer noch ist es schwierig, den Handball, der sich mit Eishockey und Basketball um den Rang hinter dem Giganten Fußball streitet, in den großen Zentren der Republik zu etablieren. Obwohl bei allen diesen Liga-Verbänden jedes Jahr die Umsatzrekorde fallen.

Der THW Kiel, der in zehn der vergangenen elf Spielzeiten deutscher Handball-Meister war, muss sich jetzt der Gegenwehr aus Flensburg und Mannheim erwehren. Und hat Probleme: Die THW-Europameister Steffen Weinhold und Christian Dissinger fallen noch länger verletzt aus. Die Konkurrenten Rhein-Neckar Lö- wen und SG Flensburg Handewitt wollen die Kieler Vorherrschaft brechen. Es würde der Liga, es würde dem Handball nicht zum Nachteil gereichen. Neue Meister, neue Helden, neue Geschichten? „Alles ist sehr eng, nichts entschieden. Es wird sehr spannend“, sagt Bundestrainer Sigurdsson und freut sich an dem auch von ihm Geschaffenen: „Es ist eine Rieseneuphorie, das merkt man. Und ich finde, zu recht.“

Das sehen auch die großen Clubs der Liga so. „Die hohen Einschaltquoten haben gezeigt, welches Potenzial im Handball steckt. Unsere Aufgabe ist es, die positiven Effekte auch für die Bundesliga zu nutzen und eine öffentliche Wirkung zu erzielen“, sagt Dierk Schmäschke, Manager der SG Flensburg-Handewitt.

Tatsächlich hat der deutsche Handball große Pläne, und er wird diese Liga brauchen, sie umzusetzen. DHBChef Michelmann sieht im Bundestrainer einen Schlüssel: „Ich bin von ihm beeindruckt. Er thematisiert nie Probleme. Er sucht immer nach Lösungen.“ Auf diese Weise ist Sigurdsson Europameister geworden. Und er wird ein Auge darauf haben, dass seine jungen Spieler auch weiterhin vermehrt in der heimischen Liga zum Einsatz kommen.

Seit 2013 ist im Deutschen Handball Bund alles auf den Olympiasieg 2020 ausgerichtet, weil sich mit fernen und ambitionierten Zielen in der Gegenwart ziemlich gut bewegen lässt. Schon bei der WM im eigenen Land 2019 soll die Mannschaft wieder begeistern. Aber das ist eben nicht alles. Auch die Handball-Frauen sollen endlich wieder zulegen. „Bei der Heim-WM 2017 haben wir den Anspruch, ins Halbfinale zu kommen. Dieses Ziel verfolgen wir ab 2020 bei jedem gro- ßen Turnier — egal ob bei den Männern oder Frauen“, sagt Michelmann, der das Konzept von Antreiber und DHB-Vizepräsident Bob Hanning, der sich mit Michelmanns Vorgänger Bernhard Bauer zerstritten hatte, offenbar schnell verinnerlicht hat. Weil alle mehr denn je wissen: Von starken Nationalteams profitieren die deutschen Ligen.

Ob das dann alles im deutschen Free-TV zu sehen ist, ist noch nicht sicher. Auch wenn es für einen Boom unerlässlich wäre. Die TV-Übertragungsrechte bei Weltmeisterschaften hält beIN Sport aus Katar. Bei der WM 2015 schauten die deutschen Handball-Fans nach gescheiterten Verhandlungen noch in die Röhre.

Das könnte auch bei der Frauen-WM 2017 passieren, wenn in Oldenburg, Trier, Bietigheim, Leipzig, Magdeburg und Hamburg als großer Finalort gespielt wird. Der Handball wünscht sich deshalb, Teil der im Rundfunkstaatsvertrag geregelten freien Übertragungen von Großereignissen werden zu können. Aber der Weg dorthin ist noch weit, bislang fallen darunter nur Olympische Spiele und Fußball-Großveranstaltungen. Aber: Die ÖffentlichRechtlichen hatten bei der EM in Polen Traumquoten erzielt. Den Triumph im Finale verfolgten im Ersten im Schnitt 12,98 Millionen Zuschauer.

Dass sich der Verband im Sinne auch von DOSB-Chef Alfons Hörmann weiter professionalisiert, kann da nur helfen. „Langfristig“, sagt Michelmann, „wird es darauf hinauslaufen, dass das Präsidium eher die Funktion eines Aufsichtsrates übernimmt. Das operative Geschäft liegt dann bei den hauptamtlichen Kräften um Generalsekretär Mark Schober.“

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