Patrick Wiencek Handball-Malocher aus dem Pott

Viel Talent war dem Duisburger nicht in die Wiege gelegt. Mit harter Arbeit aber hat sich der Kreisläufer selbst beim THW Kiel durchgesetzt. Nun könnte sogar der WM-Coup folgen.

Patrick Wiencek: Handball-Malocher aus dem Pott
Foto: Witters

Kiel. Aufgeregt drehte die kleine Lotta stets aufs Neue ihre Runden in den Katakomben der Kieler Ostseehalle. Immer wieder entschuldigte sich Patrick Wiencek dafür, dass er seine zweijährige Tochter einfangen musste. Doch wer den prall gefüllten Termin-Kalender eines Handball-Profis kennt, der hat viel Verständnis für ein Kind, das seinen Papa oft entbehren muss. Schon in dieser Woche hat er seinen Koffer erneut gepackt. Wiencek ist mit der deutschen Nationalmannschaft unterwegs zur WM nach Frankreich.

Der 27-Jährige ist einer von sechs Spielern im vorläufigen WM-Aufgebot des isländischen Bundestrainers Dagur Sigurdsson, welche in NRW geboren wurden. Wiencek allerdings lebt nun schon seit über vier Jahren in Kiel, die alte Heimat sieht er nur noch selten. „Familie und Verwandte wohnen dort. Daher fahre ich natürlich immer noch sehr gerne hin. Aber ich habe mich in Kiel derart gut eingelebt, dass ich mich in einigen Dingen inzwischen mehr nord- als westdeutsch fühle“, erzählt Wiencek.

Rein äußerlich passt Wiencek mit seinen strohblonden Haaren per se in den Norden. Dass er sich jedoch sportlich just beim Top-Verein THW Kiel würde durchsetzen können, hatte einst kaum ein Experte erwartet. „Patrick kam 2007 mit zehn Kilo zu viel in unsere Jugend und machte technisch einen limitierten Eindruck“, sagt Stefan Adam. Der Geschäftsführer von Eishockey-Club Düsseldorfer EG war damals Manager beim Bergischen HC. Trotz der vermeintlichen Defizite unterbreitete er Wiencek 2008 ein Angebot.

„Da hätte ich jedoch drauf zahlen müssen“, meint Wiencek und erklärt: „Ich war ja noch in der Ausbildung zum Anlagenmechaniker. Da sind täglich 120 Kilometer Weg zum Training zu viel.“ Wiencek ging nach Essen und der Wechsel zum TuSEM sollte sich als Meilenstein für seine Karriere entpuppen. Trainer Kristof Szargiej formte den 108-Kilo-Hünen zu einem Kreisläufer von Format. 2010 holte ihn der VfL Gummersbach in die Bundesliga, 2012 folgte der Wechsel nach Kiel. „Ohne Kristof wäre ich nicht da, wo ich bin“, sagt Wiencek.

Denn da wo er ist, ist oben. Beim THW Kiel kämpft Patrick Wiencek auch in seiner fünften Saison wieder um drei Titel, im vergangenen Sommer gewann er mit der Nationalmannschaft bei den olympischen Spielen die Bronzemedaille. „Diese Entwicklung ließ sich in der Zeit beim Bergischen HC überhaupt nicht absehen. Patrick hat enormen Fleiß entwickelt und er besitzt zudem den Antrieb, immer weiter lernen zu wollen“, sagt Stefan Adam. Bei der WM könnte für Wiencek nun damit der ganz große Erfolg hinzukommen.

„Ich freue mich auf das Turnier, schließlich habe ich vor einem Jahr die EM verpasst“, sagt Wiencek. Im Oktober 2015 hatte er sich einen Kreuzbandriss zugezogen, wodurch ihm der Titel des Europameisters verwehrt blieb. Dass das DHB-Team als kontinentaler Titelträger auch Favorit auf den WM-Gewinn ist, relativiert Wiencek allerdings. „Wir müssen die Ausfälle von Pekeler und Weinhold verkraften und sollten realitisch bleiben. Viele Mannschaften verfügen über ein hohes Niveau, da entscheiden Nuancen und Tagesform.“

Oder der Torwart und da besitzt Deutschland in Andreas Wolff einen Mann, der den Unterschied ausmachen kann. Er ist beim THW Kiel Team-Kamerad von Wiencek, der weiß: „Es wird schon darauf geachtet, wer im Tor steht. Die Gegner haben Respekt vor einem Zwei-Meter-Koloss wie Andi.“Vorm großen Wolff zeigt nur Wienceks Tochter Lotta keine Scheu. Wohl, weil auch der Papa am Kreis mächtig zupacken kann. Zwei Kraftpakete aus NRW — werden sie die Trümpfe für einen WM-Gewinn?

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