Handball-Frauen überzeugen durch mentale Stärke

Novi Sad (dpa) - Als Susann Müller nach dem letzten Vorrundenspiel vom Feld ging, war sie selbst über die starken Vorstellungen der deutschen Handballerinnen verblüfft.

„Ich weiß auch nicht, was uns zurzeit so gut macht“, sagte die Leipzigerin, die mit 13 Toren und einer überragenden Leistung maßgeblichen Anteil am 27:26 der DHB-Auswahl im abschließenden Vorrundenspiel gegen Mitfavorit Ungarn hatte.

Nach fünf Siegen in fünf Spielen steht die deutsche Mannschaft bei der Weltmeisterschaft in Serbien nach Ende der schweren Vorrundengruppe mit 10:0 Punkten auf Platz eins und trifft nun im Achtelfinale in Novi Sad auf Afrikameister Angola, der in seiner Vorrundengruppe Vierter wurde. „Dann beginnt die WM für uns wieder bei Null“, sagte Heine Jensen und betonte: „Bislang haben wir noch nichts erreicht.“

Wenn er damit eine Medaille meinte, hat er Recht. Wer bei dieser WM allerdings die deutschen Spielerinnen intensiv beobachtet, stellt fest, dass diese Mannschaft schon vieles erreicht hat. „Bei den Titelkämpfen vor zwei Jahren hätten wir ein Spiel wie dieses heute wahrscheinlich nicht gewonnen“, meinte Laura Steinbach. Die Rückraumspielerin erinnert sich nur ungern an das vorzeitige Aus bei den vergangenen Welttitelkämpfen in Südamerika.

Diesmal biegt dieses Team einen Vier-Tore-Rückstand selbst gegen eine Weltklassemannschaft wie Ungarn noch um und strahlt eine lange vermisste mentale Stärke aus.

Das gilt insbesondere für Susann Müller, die mit 45 Treffern nach der Vorrunde die Torschützenliste der WM anführt und bei neun Versuchen vom Siebenmeterstrich neunmal erfolgreich war. „Im Moment fühle ich mich richtig gut“, meinte die 25-Jährige. Anteil daran hat unter anderem Lothar Linz.

Der Mentaltrainer, der die Beachvolleyballer Julius Brink und Jonas Reckermann auf ihrem Weg zur olympischen Goldmedaille begleitete und davor erfolgreich mit der Hockey-Nationalmannschaft und der Fechterin Britta Heidemann arbeitete, erlebt in diesen Tagen seine erste Handball-WM. Bereits seit 2011 beschäftigt er sich mit den deutschen Handballdamen. „Wir sind den langen Weg bis jetzt gemeinsam gegangen“, sagte Linz, der sich noch an die Anfangszeit erinnert. „Nach der WM in Brasilien mussten wir zunächst einmal ein funktionierendes Teamgefüge schaffen.“ Damals, so berichtete er, habe sich die Mannschaft auch gut gefühlt, sei frühzeitig ausgeschieden und deshalb schwer irritiert gewesen. „Da war irgendwas verloren gegangen.“

Die mentale Stärke dieser jungen Mannschaft ist spätestens bei dieser WM ein Produkt der Zusammenarbeit. Mit Entspannungsübungen, Einzel- und Gruppengesprächen und vielem mehr hat Linz verloren gegangenes Selbstvertrauen wieder aufgebaut und in diesem Jahr weiter vertieft. „Die Spielführung ist seither deutlich kontrollierter geworden“, sagte Linz und erkannte: „Die Mädels wissen wieder, was sie in Ruhe- oder in Drucksituationen zu tun haben.“

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