Brasiliens Wunder: Die Wiege steht in Österreich

Belgrad (dpa) - Brasiliens Handballerinnen flippten total aus, küssten zur Sieger-Hymne „We are the champions“ immer wieder den Pokal und verabschiedeten sich zur rauschenden Fete in eine lange Nacht:

Mit dem sensationellen Titelgewinn bei der WM in Serbien haben Südamerikanerinnen vorfristig Teil eins ihres olympischen Masterplans erfüllt. „Jetzt machen wir die größte Party aller Zeiten“, verkündete Kreisläuferin Fabiana Diniz nach dem 22:20-Finalsieg in der Belgrader Kombank-Arena.

Der Durchmarsch mit neun Siegen in neun Spielen zum erst zweiten WM-Titel für eine nicht-europäische Mannschaft nach Südkorea 1995 ist ein klarer Fingerzeig in die Zukunft. Brasilien hat mit seiner Frauen-Auswahl Großes vor: 2016 soll in Rio de Janeiro mit dem Olympiasieg die Krönung aller Anstrengungen folgen. „Jetzt sind wir glücklich. Aber wir heben jetzt nicht ab. Wir müssen noch viel arbeiten. Unser Hauptziel sind die Olympischen Spiele“, erklärte Torhüterin Mayssa Pessoa.

Die Wiege des brasilianischen Handball-Wunders steht im beschaulichen Maria Enzersdorf. Dort ist der achtmalige Champions-League-Sieger Hypo Niederösterreich beheimatet. Dem österreichischen Abonnementsmeister gelang im Sommer 2011 ein Coup: ein Kooperationsvertrag mit dem brasilianischen Verband. „Wir sind stolz, dass Brasilien uns ausgewählt hat und wir mit dem Land unser Know-how teilen“, sagte seinerzeit Clubmanager Dieter Heger.

Da spielten bereits drei Brasilianerinnen in dem Club, von denen Alexandra Nasciemento und die inzwischen zu Krim Mercator Ljubljana nach Slowenien gewechselte Daniela Piedade jetzt im WM-Team standen. Dazu kamen im Zuge des Vertrages die neuen Weltmeisterinnen Fabiana Diniz und Deonise Cavalheiro (beide 2012) sowie Fernanda da Silva, Ana Rodrigues und Barbara Arenhart (alle 2011). Hypo sicherte sich zudem die europäischen Exklusivrechte für brasilianische Talente.

Insgesamt stehen bei den Niederösterreichern acht Spielerinnen aus Brasilien unter Vertrag. In diesem Jahr komplettierte der Club seine Samba-Auswahl und holte Brasiliens Nationalcoach Morten Soubak. 2009 hatte der Däne den Panamerika-Meister übernommen, vor zwei Jahren bei der Heim-WM zu Platz fünf und bei Olympia 2012 ins Viertelfinale geführt. Nun hat der 49-Jährige mit dem WM-Titel sein vorläufiges Meisterstück geliefert. „Mein Gott, Brasilien, ein Land vom amerikanischen Kontinent ist Handball-Weltmeister? Das ist schwer zu glauben“, sagte er.

Genauso ungläubig hatten seine Spielerinnen auf den Coup reagiert. „Der Groschen ist noch nicht gefallen. Ich saß auf dem Spielfeld, die Medaille um den Hals, und ich glaubte es nicht. Ich denke, es wird wohl zwei Tage dauern, bis ich auch glaube, was da passiert ist“, gestand Alexandra Nasciemento, die schon seit 2003 für Hypo spielt.

Von den 16 Weltmeisterinnen spielen elf in Europa, darunter bei EHF-Cup-Sieger Tvis Team Holstebro in Dänemark oder wie Eduarda Amorim bei Champions-League-Sieger KC ETO Györ aus Ungarn. „Ich bin wirklich stolz, Teil dieses Teams zu sein“, sagte die Spielmacherin, die zur wertvollsten Spielerin des Turniers gewählt wurde.

Das Glück der Brasilianerinnen war das Unglück der Serbinnen. Doch die Gastgeberinnen hielten sich nicht auf mit Tränen oder Frust. „Ich bin stolz“, erklärte Spielmacherin Andrea Lekic, „ich habe mein ganzes Leben, meine ganze Karriere von einer Medaille geträumt. Wenn uns vor dem Turnier jemand eine Silbermedaille angeboten hätte, hätten wir sie angenommen. An diesen Moment werde ich mich mein Leben lang erinnern.“

Das sahen auch die Kommentatoren in den Zeitungen so. „Das Silber glänzt golden“, titelte „Politika“. Und „Danas“ befand: „Ganz Serbien ist stolz auf seine Handballerinnen.“ Einen Blick weit voraus auf die Olympischen Spiele in Rio wagte „Vecernji Novosti“: „Wir werden ihnen das Gold in Rio abknüpfen.“

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