Halbfinale: „Kein Risiko, wenn Torsten spielt“

Mit Frings oder Hitzlsperger gegen die Türkei, das ist die Frage. Kapitän Michael Ballack spricht sich für Frings aus.

Tenero. Noch nie wurde vor einem Halbfinale einer Welt- oder Europameisterschaft in Deutschland so kontrovers über ein taktisches Spielsystem diskutiert. Was gegen Portugal beim Einzug ins Halbfinale bestens funktioniert hat, soll auch gegen die türkische Mannschaft den Sieg bringen. Oder ist ein System mit zwei Spitzen gegen einen defensiven Gegner nicht doch besser?

Bundestrainer Joachim Löw hält sich mit der taktischen Vorausschau auf das heutige Spiel (20.45 Uhr/ZDF) wie gewohnt zurück. Bei der Aufstellung macht es der Bundestrainer es nicht anders. Allerdings gibt es ohnehin kaum Anlass zu tauschen. Wahrscheinlich wird für Thomas Hitzlsperger nur der nach seinem Rippenbruch wieder belastbare Torsten Frings in die Mannschaft rücken.

"Wir können mit der gleichen Mannschaft beide Systeme spielen", erklärt Löw und nimmt den Taktikexperten schon den Wind aus den Segeln, die erste Anzeichen für die eine oder andere Veränderung gesehen haben wollten.

Mannschaftskapitän Michael Ballack macht sich für Frings stark, und das gilt im deutschen Lager als das gewichtigste Argument überhaupt: "Torsten hat sich zurückgemeldet, er ist schmerzfrei. Es ist kein Risiko, wenn er spielt." Frings selbst wiederholt auf Nachfrage gebetsmühlenartig: "Wenn ich fit bin, werde ich auch spielen."

Da die Türken mangels Masse nur mit einem Stürmer und fünf Mittelfeldspielern anfangen werden, würde sich das "Portugal-System" anbieten, wozu auch die Spieler in ihren öffentlichen Statements neigten, weil diese Veränderung wieder Leben in die Mannschaft gebracht und neue Reizpunkte gesetzt hätte.

"Es wäre doch traurig, wenn ich nicht auf die Spieler hören würde. Doch letztlich liegt die Entscheidung bei uns" erklärt Joachim Löw, der derzeit viele Einzel- und Gruppengespräche anberaumt hat, um seine Spieler auf den Gegner einzustellen. "Er macht das perfekt und trifft immer den richtigen Ton", lobt ihn Hansi Flick, der nicht die Systemfrage für wesentlich hält, sondern wie das Ganze von der Mannschaft umgesetzt wird. "Wenn der Mut, die Leidenschaft und der Wille von Anfang an da sind, werden wir es schaffen", sagt der deutsche Co-Trainer.

Dazu darf man den Gegner aber nicht so unterschätzen, wie das im Spiel gegen Kroatien offensichtlich der Fall war.

"Das ist doch Unsinn. Das hören wir nur von außen", wehrt Ballack ab. "Wir haben die Kroaten nicht unterschätzt. Was da bei uns abgelaufen ist, hatte nichts mit dem Gegner zu tun."

Es werde nicht dazu kommen, dass die Mannschaft die Türkei auf die leichte Schulter nimmt. "Es ist ein unangenehmer Gegner, aber jeder aus unserem Kader wird brennen."

Alle Beteiligten im deutschen Umfeld müssen die Bodenhaftung behalten, denn zu Höhenflügen gibt es im Endspiel noch genügend Möglichkeiten. "Von dem Ausdruck Flachetappe bin ich überhaupt nicht angetan", sagt Joachim Löw, der sein T-Shirt mit der Aufschrift "Mountainguide", was so viel wie Bergführer heißt, erst wieder nach dem Halbfinale anziehen will.

Beim Abstieg wird kein Spieler einen Führer, sondern Trost benötigen. Das wurde der Mannschaft bewusst gemacht, um die Konzentration zu schärfen. Mit der Lockerheit der vergangenen Tage ist es nun erst einmal vorbei im deutschen Lager. Alle ziehen mit, damit aus der System- keine Existenzfrage wird.

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