Gemischte Gefühle beim Paralympics-Team vor Sotschi

Frankfurt/Main (dpa) - Langläufer Martin Fleig ließ sich vor lauter Vorfreude das paralympische Logo in die Haare rasieren, die meisten seiner deutschen Teamkollegen bestiegen aber mit großem Bedenken den Flieger Richtung Schwarzmeerküste.

Gemischte Gefühle beim Paralympics-Team vor Sotschi
Foto: dpa

Drei Tage vor der Eröffnung der Paralympics an diesem Freitag sorgte die Krim-Krise auch in Sotschi für steigende Verunsicherung. Sogar das Internationale Paralympische Komitee (IPC) räumte Unbehagen ein. Die Regierungen Österreichs und der Niederlande wollen aus Protest gegen das russischen Vorgehen auf der Krim keine Vertreter zu den Weltspielen der Behindertensportler schicken.

„Die Freude ist sicherlich getrübt durch die Ereignisse auf der Krim“, sagte die Ski-Langläuferin Andrea Eskau bei der offiziellen Verabschiedung des 13-köpfigen deutschen Teams, das um 18.15 Uhr Ortszeit in Sotschi eintraf. „Wir haben das Weltgeschehen im Blick und werden es gerade da unten auch nicht aus dem Blick verlieren.“

Obwohl Russland rund 450 Kilometer westlich von Sotschi nach der Schwarzmeer-Halbinsel Krim greift und damit Politiker in aller Welt besorgt, trafen bis zum Dienstagvormittag 39 der 45 teilnehmenden Nationen in Sotschi ein. Darunter auch die Ukraine, die trotz des Konflikts mit 23 Sportlern an den Paralympics teilnimmt. „Die Mannschaft ist schon da, und bis jetzt nimmt sie auch teil“, sagte IPC-Sprecherin Eva Werthmann der dpa.

Die Regierungen aus der Niederlande und Österreich gaben unterdessen bekannt, keine offiziellen Regierungsvertreter zur Eröffnungsfeier am 7. März nach Sotschi zu schicken. Damit wolle die Regierung zeigen, dass sie den Einmarsch in einen souveränen Staat nicht toleriere, teilte ein Sprecher der Regierung in Den Haag mit. Auch die Königsfamilie werde fehlen. Auf königlichen Beistand muss auch Schweden verzichten, Kronprinzessin Victoria bleibt entgegen ursprünglicher Planungen daheim. Österreichs Verteidigungs- und Sportminister Gerald Klug wird ebenfalls auf eine Reise verzichten. „In dieser heiklen Phase geht es darum, keine Zeichen zu setzen, die als Legitimation der russischen Vorgehensweise gedeutet werden können“, sagte Klug.

Auch das IPC zeigte sich wegen der Krim-Krise besorgt. „Wir beobachten die Situation genau und die Sicherheit und das Wohlbefinden der Athleten und Offiziellen haben für uns oberste Priorität“, sagte IPC-Präsident Philip Craven am Dienstag bei seiner Ankunft in Sotschi. Er erwarte durch die Paralympics gleichzeitig ein Umdenken in Russland in Bezug auf den Umgang mit behinderten Menschen. Sotschi will sich behindertenfreundlich wie keine andere russische Stadt präsentieren. Mehr als 30 „sprechende Ampeln“ seien installiert, mehr als 1000 Orte barrierefrei erreichbar, betonten die Organisatoren.

Das Zuschauerinteresse sei groß, behauptete der zuständige Vizeregierungschef Dmitri Kosak. Etwa 500 000 Karten seien verkauft. „Einem sehbehinderten Skifahrer zuzujubeln, der mit 100 Stundenkilometern den Berg herabrast, oder die explosive Energie des Sledge-Hockeys zu spüren - das sind einmalige Chancen“, warb Craven.

Der Deutsche Behindertensport-Verband versuchte vor dem Abflug der deutschen Mannschaft die Aufmerksamkeit auf den Sport zu lenken und alle anderen Verhältnisse in Russland und der Ukraine auszublenden. „Wir verschließen nicht die Augen vor den Entwicklungen in der Welt. In den letzten Tagen sind wir sehr besorgt gewesen über die Lage auf der Krim“, sagte DBS-Präsident Friedhelm Julius Beucher. „Aber wir sind froh, dass alle Sicherheitsbehörden und auch das Auswärtige Amt diese Reise als ungefährlich einstufen. So können wir es verantworten, nach Sotschi zu fliegen.“ Ein unbeschwertes Athleten-Fest scheint aber schon jetzt ausgeschlossen.

ARD und ZDF wollen nach dem bemerkenswerten Quotenerfolg bei Olympia von diesem Freitag an rund 21 Stunden Paralympics zeigen - für die deutschen Athleten eine große Chance, sich zu präsentieren. Und die Krim-Krise? „Anspannung verspüre ich nur, wenn ich daran denke. Ich bin Sportlerin und freue mich riesig auf die Spiele“, sagte Anna Schaffelhuber, die 2010 in Vancouver Bronze im Super-G gewann.

Schaffelhuber und Fleig müssen wie die weiteren Athleten ohne frischen Schnee auskommen. Nach Organisationsangaben wird für den gesamten Zeitraum zwischen der Eröffnungsfeier am Freitag und der Schlusszeremonie am 16. März kein Schneefall erwartet. Dennoch liege sowohl im Biathlon- und Langlauf-Komplex „Laura“ als auch im Alpin Center „Rosa Chutor“ ausreichend Schnee. Die Wettervorhersage prognostiziert für die neun Wettkampftage Höchsttemperaturen zwischen vier und 15 Grad Celsius. Wegen der hohen Temperaturen könne auch kein künstlicher Schnee produziert werden.

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