WM 2018 Spiel gegen Schweden: Aussprache, Ansprache — Attacke!

Die Löw-Elf muss gegen die Schweden die Primärtugenden zeigen. Nach Hummels-Ausfall ist Süle erste Wahl.

 der Bundestrainer im Kreise seiner „Lieben“: Joachim Löw schwört am Freitag seine Spieler ein.

der Bundestrainer im Kreise seiner „Lieben“: Joachim Löw schwört am Freitag seine Spieler ein.

Foto: Christian Charisius

Sotschi. Die Deutschen lassen sich normalerweise gerne von Schweden um den Schlaf bringen. Sie legen die Krimis Stig Larssons erst spät in der Nacht weg, müssen Sonntagabend unbedingt noch die Verfilmung von Mankells Schaudergeschichten bis zum Schluss sehen. In den Schlaf zu finden, ist nach den Schilderungen bestialischer Morde schwierig. Dass nun aber auch während der WM die Schweden für Einschlafschwierigkeiten sorgen, hat nichts mit den Schilderungen abartiger Folterungen zu tun. Es ist schlicht die missliche Lage, in die sich das deutsche Team mit dem 0:1 gegen Mexiko gebracht hat. Seitdem drehen sich die Gedanken darum, wie denn nun den Schweden beizukommen sein wird. Dreier- oder Viererkette, Khedira oder Gündogan, Sieg oder Aus?

Sicher scheint nur, dass Mats Hummels und Marvin Plattenhardt nicht in der Startelf stehen werden. Plattenhardt wird vom wiedergenesenen Jonas Hector ersetzt werden. Hummels leidet unter einem verrenkten Halswirbel. Für ihn wird wohl Niklas Süle spielen.

Es steht ja nicht nur das Weiterkommen bei dieser WM auf dem Spiel. Die bisher so glitzernde Amtszeit Löws würde bei einem Vorrunden-Aus gravierende Schrammen erhalten, möglicherweise endet sie sogar. Im Normalfall dürften die Schweden der passende Gegner für die Deutschen sein, um sich zurück ins Turnier zu katapultieren. Sie agieren aus einer soliden Defensive, versuchen über schnelles Umschaltspiel ihre Stürmer einzusetzen. Das kennen die Deutschen von den meisten Mannschaften, gegen die sie antreten. Noch dazu verfügen die Schweden über keine außergewöhnlichen Einzelkönner. Aber was ist schon normal derzeit im deutschen Team?

Die Situation ist außergewöhnlich, und möglicherweise wollen die Skandinavier die Psyche der Deutschen erstmal mit einer unerwarteten Taktik auf ihre Stabilität abklopfen. Den Mexikanern gelang das auf imposante Weise. Sie wurden von den Deutschen offensiver erwartet, als sie letztlich auftraten. Löw will darin aber nicht den entscheidenden Faktor für die schwache Leistung sehen. Schließlich hätte es doch eigentlich ein Vorteil sein können, nicht schon im Spielaufbau unter Druck gesetzt zu werden. Es kam anders.

Die Weltgeschichte gibt verblüffende Hinweise

Aus historischer Sicht ist es sogar relativ wahrscheinlich, dass die Schweden ihr Heil in der Offensive suchen. Der dtv-Atlas zur Weltgeschichte beschreibt den Gegner als Mannschaft mit „beweglicher Kampfaufstellung und starker Feuerkraft“. Dass damit das Heer während des 30-jährigen Krieges gemeint ist, sollte nur von nachhaltiger Bedeutung sein, ändern sich doch die Eigenschaften einer Nation auch über die Jahrhunderte hinweg nur in Nuancen.

Löw aber hat sowieso andere Merkmale als bedeutender ausgemacht, als es taktische Variationen sind. „Die beiden wichtigsten Waffen sind Energie und eine andere Körpersprache.“ Da dies aber auch grundlegende Eigenschaften der Schweden sind, erwartet Löw ein hartes Ringen um den Sieg. „Die Mentalität der Schweden ist stark“, hat er beobachtet. Aber auch seine Mannschaft hat im Training eine andere Einstellung gezeigt, als noch vor dem Mexiko-Spiel. „Die Spieler haben eine Reaktion gezeigt. Aber es zählt das Spiel gegen Schweden. Da muss die Reaktion zu sehen sein. Ich bin mir sicher, dass es die Reaktion geben wird“, so Löw. Er hat sich vom früher mitunter akademischen Duktus seiner Analyse zumindest öffentlich vorerst verabschiedet.

Tags zuvor hatte Sami Khedira schon gesagt, gegen Schweden müssten „elf Spieler mit der Mentalität von Kriegern“ auf dem Platz stehen. Mario Gomez schließlich geht in dieselbe Richtung: „Es wird die Mannschaft gewinnen, die den Sieg mehr will. Und das werden wir sein.“ Wille, Reaktion zeigen, Krieger, Körpersprache — in der deutschen Mannschaft wird formuliert, wie zuletzt in der Amtszeit Rudi Völlers. Der aber konnte nicht auf eine Schar Hochbegabter zurückgreifen. Primärtugenden waren die einzigen erfolgsversprechenden Qualitäten. Nun aber hat Löw derart viele feinfüßige Spieler zur Auswahl, dass er nicht Platz für jeden einzelnen schaffen kann. Trotz aller Blutschweißtränen-Rhetorik will Löw ein Team auf dem Platz sehen, das von der grundlegenden Idee des anspruchsvollen Ballvortrags nicht abweicht. Mit Wucht und Technik, Wille und Leichtigkeit soll der Gegner bezwungen werden. Eine Aufgabe, spannender als die meisten Schweden-Krimis.

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