WM in Russland Muss Deutschland den Weltmeister-Fluch fürchten?

Drei der letzten vier Titelverteidiger schieden bei der nächsten WM in der Vorrunde aus — und auch beim DFB-Team läuft zur Zeit noch wenig rund.

 Die deutschen Nationalspieler gehen nach dem Spiel gegen Saudi-Arabien vom Platz.

Die deutschen Nationalspieler gehen nach dem Spiel gegen Saudi-Arabien vom Platz.

Foto: Marius Becker

Leverkusen. Manuel Neuer begleitete seine Dressur reitende Frau Nina zu einem Turnier im Sauerland. Mario Gomez genoss das „schöne Gefühl als Papa“ mit dem vier Wochen alten Sohn Levi. Thomas Müller verbreitete ein Ausflugsfoto mit Ehefrau Lisa zum Schloss Neuschwanstein: „Bayern ist wunderschön.“ Miroslav Klose konnte seinen 40. Geburtstag mit der Familie feiern.

Und auch Joachim Löw gönnte sich am Wochenende ein wenig Müßiggang, obwohl der Bundestrainer kurz vor dem WM-Ernstfall gegen Mexiko mit zahlreichen sportlichen Baustellen und heftigen atmosphärischen Störungen rund ums Team zu kämpfen hat. „Ein, zwei Tage durchschnaufen — und dann wieder Gedanken machen nach vorne“, sagte Löw zu seinem Programm bis zum Abflug des DFB-Trosses nach Russland morgen.

Unbeschwert und mega-optimistisch können aber weder Löw noch seine Spieler die Reise ins WM-Land antreten. Denn abgesehen von dem Özil-Gündogan-Erdogan-Wirbel ist der Weltmeister auch sportlich von einer ermutigenden Verfassung noch weit entfernt. „Wir müssen sicherlich noch drauf legen“, gab Löw nach der Generalprobe gegen WM-Leichtgewicht Saudi-Arabien (2:1) zu. Zugleich beschwichtigte er: „Wenn es losgeht, werden wir da sein.“

Das haben die Franzosen 2002, die Italiener 2010 und zuletzt die Spanier 2014 in Brasilien auch gedacht: Und dann? Schieden sie als Titelverteidiger in der Gruppenphase aus. Bei drei der letzten vier WM-Turniere fuhr der Weltmeister bereits nach der Vorrunde heim. An eine Fortsetzung dieses Weltmeister-Fluches mag beim aktuellen Champion keiner denken. „Wir sind eine Turniermannschaft“, sagte WM-Neuling Marco Reus, der einzige Lichtblick beim letzten Probelauf. Teamsenior Gomez (32) warnte vor Panikmache: „Wenn wir jetzt ratlos wären, wäre es etwas anderes. Wir wissen ganz genau, was los war.“

Was war denn los? Bis auf Özil (Knieprellung) schickte Löw am Freitag die Wunschelf für das Auftaktspiel gegen die Mexikaner auf den Platz, die ihren letzten Test übrigens beim 0:2 in Dänemark völlig vermurksten. Timo Werner, der in Leverkusen das frühe Führungstor erzielt hatte, erinnerte sich an seine Kindheit: „Da waren die Deutschen in den Vorbereitungsspielen nie so prickelnd. Und am Ende sind wir mindestens immer ins Halbfinale gekommen.“ So war es bislang auch bei jedem der fünf großen Turniere mit Löw als Chefcoach. „Mit Hingabe können wir ein sehr gutes Turnier spielen“, erklärte Titelspezialist Toni Kroos.

Es gibt positive Anzeichen, die aber zugleich Fragezeichen sind. Der Fuß von Torwart Neuer scheint einer Turnierbelastung standhalten zu können. Auch der Oberschenkel von Abwehrturm Jérôme Boateng hielt ein 45-Minuten-Comeback aus. Sami Khedira geht endlich mal topfit in ein Turnier. Müller ist sowieso der WM-Müller (je fünf Tore 2010 und 2014). Und Offensivmann Reus könnte ein Trumpf sein, der wie Mario Götze im Finale von Rio 2014 sticht. „Ich bin überzeugt, dass er wichtige Akzente setzen kann“, sagte Löw.

Gegen die Saudis fehlte noch der notwendige WM-Ernst im DFB-Team. „Es hat sich so angefühlt, als wenn wir Angriffsschemen trainieren und da irgendwelche Stangen stehen“, rügte Kapitän Neuer. Um Defensivarbeit wollte sich kaum jemand kümmern. „So ist es schwer“, sagte Khedira mit Blick auf die angestrebte Titelverteidigung.

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